MenuMENU

zurück

2024-08-24 09:14:33, Jamal

Apokalyptische Zuspitzung

Bei Alberto Moravia geht es ab einem bestimmten Punkt stets um die Atombombe so wie Stanley Kubrick sie im Strangelove Modus sah. Diese apokalyptische Zuspitzung vollzieht sich in der Gleichzeitigkeit des Wettlaufs zum Mond und La dolce vita nach Motiven von Federico Fellini. Die einen schicken Hunde ins All, die anderen steigen zum Beweis ihrer Gleichgültigkeit gegenüber einer Zukunft im atomaren Winter in den Trevi-Brunnen.

Das süße Leben … ist ein Schwarzweißfilm von Federico Fellini aus dem Jahr 1960. Weltberühmt wurde die Szene mit Ekberg im Trevi-Brunnen.“ Wikipedia

„Es gibt Schlimmeres (als Blut an den Händen)“, fand Harry Truman, nachdem er - unangenehm berührt - zum Zeugen eines seelischen Aufbruchs seines Chefphysikers Robert Oppenheimer geworden war. Seinem Staatssekretär Dean Acheson befahl er, ihm „dieses Individuum“ fortan vom Hals zu halten. Schließlich habe der Wissenschaftler lediglich das Ding gebaut. „Ich (Truman) habe sie explodieren lassen.“

Stellen Sie sich die Szene im Weißen Haus vor, in der Truman mythisch sich über Oppenheimer erhebt. Den Wissenschaftler plagen Skrupel, nachdem das Schlimmste geschehen ist. Er begreift sich als Weltzerstörer. Ernst Jünger nimmt ihn vom Kreuz und an den Haken der Analyse. Oppenheimer habe bloß eine Tür aufgemacht, als Hiwi im Dienst eines Anführers, dessen Bedenken im Mahlwerk der Entschlossenheit pulverisiert wurden. Im Übrigen seien Wissenschaftler in einem Hohlraum zwischen den soliden Kasten nicht gut aufgehoben. 

„Der Wissenschaftler habe keine Klassenethik, da er weder Soldat noch Priester sei.“ Aus einem Gespräch zwischen Moravia und Jünger über das Atomzeitalter als finale Epoche.

Am 6. August 1945 fiel die Bombe auf Hiroshima. Siebzigtausend Menschen starben in der Unmittelbarkeit des Detonationsgeschehens. Der Atomblitz sorgte für bizarre Formate. Einhundertsechzigtausend Tote zählte man im weiteren Verlauf, bevor der Schleichtot eintraf. In Amerika wird der erste Atombombenabwurf als Test ungerührt zur Kenntnis genommen. Sieger kennen keine Reue, und wenn doch, fliegen sie aus dem Verband und das Beste, was ihnen dann noch passieren kann, ist eine solide Krankengeschichte. Ein Beispiel liefert der angeblich bereuende, sogenannte „Hiroshima-Pilot“ Claude Eatherly, der mit der Tat unmittelbar nichts zu tun hatte, wie ein Hauptakteur mit ehrabschneidenden Absichten wiederholt erklärte. Du kommst hier nicht rein: in den Club der Superkiller - Colonel Paul Tibbets, Pilot des Atombombentransporters Enola Gay, strich Eatherlys Bedeutungslosigkeit heraus. Eatherly war in stationärer psychiatrischer Behandlung (und zudem kriminell auffällig geworden), als ihn der Philosoph Günther Anders zur Stimme des Gewissens beförderte. Er machte aus Eatherly den großen Anderen im Verhältnis zu dem dann vielleicht doch nicht so pflichtpedantisch-banal-bösen Adolf Eichmann. Der eine empfand Reue, der andere berief sich auf sein Amt. Das war schon zum Zeitpunkt des publizistischen Coups, den Anders landete, eine verkitschte Konstellation. Beide Personen der Zeitgeschichte äußerten sich unter den Vorbehalten der Selbstdarstellungsvorteile.