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2024-11-08 15:19:47, Jamal

Kaiserschmarrn-Tadsch Mahal

Im Frühjahr 1828 heuert Rosa Brugger als Dienstmädchen in einem Palais im zweiten Wiener Bezirk an. Die bis eben nur mit dem Allerdürftigsten vertraute Tochter eines Müllers wähnt sich in einem Kaiserschmarrn-Tadsch Mahal, während der Hausherr gerade das Notwendigste von den örtlichen Verhältnissen gewährleistet findet.

Ein Personalstab von sechsunddreißig Personen dient der sechsköpfigen Familie um den alten Reischach. Sein Vorbild in der Wirklichkeit könnte Feldmarschall Lieutenant Judas Thaddäus Freiherr von Reischach (1776 - 1839) gewesen sein. Er entstammte einem schwäbischen, seit dem 12. Jahrhundert nachgewiesenen, europaweit im Condottiere-Stiefel aktiven Geschlecht. Sein Sohn Sigmund (1809 - 1878), seines Zeichens kaiserlicher und königlicher Kämmerer, Geheimer Rat, Feldzeugmeister, Ritter des Militär-Maria-Theresien-Ordens, Inhaber des k. k. Linien Infanterie Regiments No. 21 sowie Gesandter des Maltesterordens, zeichnete sich als Regimentskommandeur 1848 bei Straßenkämpfen in Mailand aus.

Judith W. Taschler, „Über Carl reden wir morgen“, Roman, Paul Zsolnay Verlag, 24,-

Im Roman ist der Spross ein schwachbrüstiger Zeitgenosse, dem die Eltern hinterlistig unter die Arme greifen. Um seine Zeugungskraft zu erproben und ihn von Bordelleskapaden abzuhalten, holen sie sich die schöne Rosa ins Haus. In der Gegenwart von Rosas Palaisperlendebüt überschlagen sich die Ereignisse in Zeitlupe. Zwei Jahre nach ihrem Eintritt in den freiherrlichen Haushalt wird sie schwanger. Reischach arrangiert eine heimliche Niederkunft in ländlicher Umgebung. Seine Zuneigung verflüchtigt sich bis zu einem Sockel paternalistisch-funktionaler Fürsorge. Rosa hofft auf einen Gnadenakt des Hochgeborenen; auf eine klandestine Garantieformel und heimliche Aufwertung ihrer unziemlichen Verhältnisse. Sie unterschätzt das Ausmaß jener Infamie, der sie sich einst freudig ausgeliefert hatte. Sie verliert ihren Sohn an die Revolution von 1848. Als Barrikadenkämpfer vorgeprescht, endet Theo trostlos in den Reihen amtlich Hingerichteter und so auch Verscharrter. Die gekränkte Monarchie verweigert ein Andenken. Damnatio memoriae. Rosa landet als billige Arbeitskraft im elterlichen, vom verwitweten Bruder Anton geführten Mühlenbetrieb. Sie zieht ihre Nichten und den Neffen Albert auf. Für den Nachwuchs bricht das 20. Jahrhundert im Glanz der Gründerzeit an. In der nächsten Generation expandiert die Mühle im Mühlviertel. Alberts Zwillingssöhne Carl und Eugen haben die Aussicht auf ein stattliches Erbe. Es gibt die Mühle, ein Sägewerk und ein Handelsgeschäft. Eugen entzieht sich dem gediegenen Wohlstand nach Amerika. In einem von Benediktinerinnen geführten Waisenhaus in St. Louis spielt er den Hausmeister. In Cincinnati arbeitet er als Kellner und in der Gegend von Boston als Holzfäller. Sein Bruder gerät wehrpflichtig zwischen die Mühlsteine des Ersten Weltkriegs. Sein Bruder gerät wehrpflichtig zwischen die Mühlsteine des Ersten Weltkriegs. Er versehrt einen Vorgesetzten und desertiert so geschickt, dass es zunächst so scheint, als sei er bei einem Lazarettbrand ums Leben gekommen. Doch kommt man ihm auf die Schliche.