Debütantin der Liebe
„Du hast das Nordend nicht kapiert.“ Es geht immer noch verdrehter und gerade um die Sonderstellung des „es“ in der Grammatik, wenn ich das richtig verstanden habe. Valerie diskutiert mit Britta. Diese beiden zählen sich auf sehr unterschiedliche Weise zur indigenen Bevölkerung des Nordends. Britta findet daran nichts Besonderes, während Valerie sich für das Schmuckstück am Nabel der Welt hält. Für Valerie ist Bornheim weit weg, das ist der Stadtteil auf der anderen Straßenseite.
Valerie nennt sich eine Debütantin der Liebe. Sie debütiert seit Jahren.
Der Apfelwein schmeckt „problematisch“. Jemand hat Parkbänke „verschleppt“.
„Wie soll das denn gehen?“ fragt Britta kommunikativ. Sie will das Gespräch in Gang halten und uns alle mit einem trauten Gemeinschaftsgefühl versorgt wissen.
Die Anlage scheppert. Wir hören „Michaela sagt“ von Element Of Crime. Gerade geht es darum, wie am Amazonas Pfeilgifte gewonnen werden. Die Burgschänke- und Gernegroß-Belegschaften stolpern durch ihre Phoenix- und N 24-Kenntnisse. Die ersten Aufbrüche sind allenfalls Anläufe. Man verabschiedet sich, dann hat man wieder eine Bierflasche in der Hand. Aber schon die Mütze auf.
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Ich wechsle zu den Hartgesottenen in den „Leichenschauraum“. Hier überleben die Veteranen juveniler Exzesse nach der Devise: Wo ich bin, da ist oben. Bin ich unten, dann ist unten oben.
Das sind in ihrem eigenen Milieu Marginalisierte. In der unverblümten Sprache der Prekären ist das „vergammeltes Betriebsfleisch“. Eine Marinade des Vergehens im Blechkombinat des Lebens. Identität als verzweifeltes Nachtgebet. Mein Cousin Babu gefällt die Romantik der Verdammten zurzeit besser als die heitere Schlumpf-Gesellschaft, in der seine Schwester Valerie eine Hauptrolle spielt. Er unterbreitet einmal mehr seine Idee von einem Golfplatz im Holzhausenpark, man könnte dann im Schlossgraben nach dem weißen Gold der Zahnärzte tauchen. Auf jeden Fall wäre das effektiver als ein Hund mit Heuschnupfen.
Golfplatztaucher als Lehrberuf … meine Ex Aleksa sitzt so dicht neben Babu, als sei sie auf Körperkontakt erpicht. Ihr Interesse an jedem Käse überrascht mich immer wieder. Sie trinkt vorsichtig und achtet auch in dieser Dunkelkammer auf ihr Äußeres.