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2024-11-19 10:48:55, Jamal

Aus der Kommentarspalte

Autor: Vielen Dank. Deine Bemerkung trifft den Nagel auf den Kopf. Ich habe stets mitgeschrieben. Ich habe Dateien voller Details. Wie macht man Grüne Soße, wie die Musik (ein Essig-Zwiebel-Gemisch) zum Handkäs. Wie sieht eine Zapfanlage von unten aus. Wie reinigt man Bierleitungen. Wie keltert man Apfelwein. Ich habe seitenlang dumme Sprüche mitgeschrieben, das verhefte Geschwätz der Unentwegten. 

Leserin: Mit dem Mitschreiben hast du dir einen großen Schatz geschaffen und einen Vorrat an Details angelegt. Das habe ich leider nie geschafft, obwohl ich's mir immer wieder vorgenommen habe. Oft fehlt mir da etwas, wenn ich schreibe, und ich denke: wie war das noch mal genau?

Autor: Heute geht mir das so mit den Fotos. Andere sagen, dieses oder jenes Motiv hast du, also ich, schon tausend Mal fotografiert. Aber ich denke, nein, das Bild ist doch immer wieder anders. Ich gebe ein Beispiel. Die Musik zum Handkäs - manche Experten geben einen Schuss Apfelwein dazu, andere Apfelsaft. Der Laie schmeckt den Unterschied nicht. Der Punkt ist aber: nimmt man Apfelwein, dann 'geht' die Musik, sie setzt Hefe an. Mit Apfelsaft passiert das nicht. Und schon hat man eine kleine Geschichte, die sich aus einer kleinen Differenz ergibt. Das Gleiche gilt für das Sauerkraut. Ich frage einen Koch, warum machst du das nicht aromatischer mit Speck. Sagt er: Das kann ich dann nicht an Vegetarier verkaufen. Sage ich: Aber du machst doch ständig Wurst im Sauerkraut heiß. Sagt der Koch: Das weiß doch keiner von denen da draußen.  

Galaktisches Taschentuch

Tanja findet Gefallen an unseren allnächtlichen Havarien. Für noch einen vorletzten Lütten ist sie stets zu haben. Sie kommt vom Ort und ist daran gewöhnt, von Geburt an allen entscheidenden Leuten bekannt zu sein. Heimlich leidet Tanja unter den Gepflogenheiten in der Kohlekapitale an einem überlaufenden Bach namens Main. Im Dunnast (Rausch) verlegt sie Frankfurt zu den Kühen ihrer Verwandten in der Boddenmarsch bei Ahrenshoop. Sie zeichnet ihren Strand mit Asche auf den Tresen. Sie zitiert ihren Onkel Hermann im mundsprachlichen Original. Hermann treibt Kurtaxe bei Touristen ein. Im Sommer schlafen die Touristen in den Kinderzimmern der Einheimischen, die Kinder schlafen dann auf Klappbetten. Die Touristen frühstücken im Wohnzimmer, die Kinder in der Küche. Tanja macht sich einen Sport daraus, uns Hessen Spottlichter aufzusetzen.  

Tanja kommt mit allen gut zurecht und besonders gut mit Norbert Nasenschweiß. Nasenschweiß hat das Gernegroß als Kabarett gegründet, als Avalon noch nicht mythisch war. Nacht für Nacht wird sein Spielplatz zur Zuflucht für Späteinkehrer. Meistens brocken sie sich einen miesen Start in den nächsten Tag ein. Erst geht die Show über die Bühne, dann kommt einer wie ich mit dem Besen. Man klappt allerhand zu und stellt die Stühle an die Wand. Womöglich bleibt die Wurst auf dem Tresen. Freunde des Hauses laufen auf, der Künstler des Abends packt endlich seine Sachen. Zum Glück wohnt er in Mainz und muss die Bahn kriegen. Er geht noch mal kurz, vermutlich absichtlich daneben, das Klo unter der Konstabler Wache ist seine nächste Station. Die Eingeschweißten prüfen sich gegenseitig in Verfassungstreue. Wir beten das galaktische Taschentuch an. Jemand dimmt das Saallicht. Jetzt ist keiner mehr aus Versehen im Raum.

Die Künstlerin des Abends hat sich gerade getrennt. Trinken ist wie Träumen. Wie gut sich Apfelschnaps mit Grauburgunder verträgt. Jemand möchte Schuppenflechten zum Thema machen.

„Er wollte immer nur Seins, aber wenn ich dann meins“, weint die Künstlerin dem Ex hinterher. Der dreht gerade auf einem Berg in der Schweiz, so dicht sind wir am internationalen Filmgeschehen.

„Kannst du morgen einspringen?“, fragt mich Barchefin Leonie.

„Kein Problem“, antworte ich. Nasenschweiß isst mit der Künstlerin von einem Teller. Das heißt, er hat die Künstlerin sehr gern. Zutiefst sind wir Bauchredner … und so nehme ich denn von Tanja ein Stück an, obwohl Tine mir ihre Beute zuschanzen wollte. Jetzt essen alle, und Babu versucht einen Scherz mit Mitessern, der vollständig misslingt.