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2024-11-22 11:45:55, Jamal

„Ich war mit siebzehn so wenig auf das Leben vorbereitet, als hätte ich meine Kindheit als Ziegenhirtin in den Bergen verbracht. Ich neigte zu Naturbetrachtungen und durchstreifte Feld und Wald." Hilary Mantel

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„Ihr Leben lang hatten sie ihren Unmut verheimlicht, so fiel es ihnen nicht schwer, ihren Gegnern mit gelassener Miene entgegenzutreten, während sie zugleich einen Schlachtplan entwarfen." Marie Vieux-Chauvet

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"Pain is temporary.It may last a minute, or an hour, or a day, or a year, but eventually it willsubside and something else will take its place." Lance Armstrong

Keimende Leidenschaft

Babu lässt Hasi ein Fass wechseln, „damit du's lernst."

Das Fassrevier ist ein Kellerverschlag, Hasi macht was falsch. Bier schießt aus der Leitung und trifft sie und ihre Aufsicht.

„Du musst noch viel lernen", stellt Babu zufrieden fest.

Hasi stimmt zu.

„So kannst du nicht weiterarbeiten", sagt Babu, „so saumäßig."

Von der eigenen Erscheinung sieht er ab. Hasi folgt Babu in die Künstlergarderobe des „Gernegroß". Da lädt jede Menge Krempel zu einem Kostümfest ein. Babu zieht ein T-Shirt aus einer Halde. Er hält den Fetzen hoch. 

...

Hasis Atem stockt. Sollte dies das Ende einer langen Liebesdurststrecke sein? Babu tastet sich vor. Jeden Millimeter Raumgewinn unterziehen seine Finger einer gewissenhaften Prüfung. Seit Jahrzenten träumt er von einem Augenblick wie diesem. Er kann es kaum glauben und überhaupt nicht fassen, dass er der aktuell Schönsten in Kurts Königreich so nahekommen darf. Unmerklich kommt Hasi ihm entgegen. Genauso unmerklich entzieht sie sich ihm. Sie ist ehrgeizig auch in der Liebe. Ihrer Distinktion genügt Babu selbstverständlich nicht. Er ist so offensichtlich nicht unerschöpflich, kein erratischer Fels, keine Terra incognita, die Hasi kolonisieren könnte. Bis eben galt ihre Überschreitungsbereitschaft einem Mann, der nicht in der Burg verkehrt. Sie weiß wenig von ihm und kennt noch nicht einmal seinen Namen. Doch ermöglicht die schiere Erscheinung Hasi eine halb gedachte und halb geträumte Schrankenlosigkeit. Sie erlaubt ihr innere Freigaben wie noch nie. Sie löst Gefühlsgewitter aus.

In seiner Nähe wähnt sich Hasi in einer Aura und auf einem Kraftfeld, das in jedem Fall auch ein Spielplatz ist. In dieser Arena gibt es Freiheiten, Aufregungen, Anregungen und Anweisungen. So empfindet Valerie es mit allen Sinnen. Sie empfängt Impulse, die unmittelbar Lust auslösen. Die Lust schwillt an, sobald sie ihrem Zellfeuer sprachlich Ausdruck verleihen darf. Das darf sie nicht in jedem Fall. Es ist eine Steigerung. Das Geschehen konkretisiert sich in einer handfesten Phantasie. Nennen wir die Instanz Vernon. Vernon stammt aus Albuquerque im US-Bundesstaat New Mexico. An ihren besten Tagen glaubt Hasi, für die Worte so physisch sind wie Berührungen, dass Vernon entweder eine reale oder eine über-reale Person sei. Zweifellos besitzt er ein konkretes Wesen. Er ist ein bisschen dämonisch, ein bisschen tyrannisch und sehr auf seine Dominanz bedacht. Er liebt es, wenn Hasi ... Sie trinkt aus dieser Quelle, um sich in dem Spiel mit Babu zu erquicken. Babu versteht das falsch. Er glaubt, Hasis keimende Leidenschaft habe etwas mit ihm zu tun.

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Es gibt Situationen, in denen man entschlossen ist, ohne jede Verzuckerung zur Sache zu kommen. - Weil man sich mit dem anderen gar nichts Inniges vorstellen kann. Wenn man aber ganz sicher weiß, dass ein bis in die Zehen vibrierender Aufstieg hinter die Wolken jederzeit möglich wäre und dieser Standard bloß aus Gedankenlosigkeit unterschritten wird, dann gibt das zu denken und führt zu Blockaden. Tanja streitet mit Hannes, es geht schon wieder um die miserable Beischlafquote. Er soll aufhören, ihr deswegen ein schlechtes Gewissen zu machen.

Muss sie jetzt schon mit ihren Gefühlen haushalten?

„Außer Haus erleben Hannes und ich kaum noch etwas gemeinsam", sagt Tanja zu Britta. Die beiden sitzen im Garten der Burgschänke vor einem Zehnerbembel. Nebenbei, was man zum Apfelwein sagen darf: Äpfelwein, Äppelwoi, Ebbelwoi, Äbbelwoi, Ebbelwei. Äppler aber war Jahrhunderte lang ein Schimpfwort für Busen- vulgo Äpfelchenpetzer, mithin für solche, die sich an einem Dekolleté vorzugsweise der Bedienung zu schaffen machten.

Brittas neuer Freund braucht im Bad länger als sie. Er zupft sich die Augenbrauen. Britta weiß noch nicht, wie sie das finden soll. Tanja geht ihr noch ein bisschen auf den Keks mit Gejammer. Britta wehrt sich mit Details aus ihrem Liebesleben. „Er leckt mich gern. Das macht er ganz wunderbar."