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2024-11-26 11:15:39, Jamal

Frankfurter Spielregeln

Den Rumpf konziliant vorgesetzt, dass Kinn und Knie eine Linie bilden, die Beine übereinandergeschlagen, den rechten Ellenbogen auf der Madonna seines erhabenen Knies, die Zigarette ragt aus der Hand, der ganze Mann wie frisch vom Föhn, so eifrig wie ein Zwölfjähriger aus atheistischem Elternhaus, der gerade die katholische Kirche als Arena des Widerstands für sich entdeckt hat: so hält sich Till auf seinem Stuhl am Stammtisch ... und da kommt Wieland wie auf einer Woge, die Arme weit vor dem Leib, dem Wesen nach pervers, aber harmlos. Der König (bürgerlich Kurt Wundersamen) begrüßt Wielands Weimaraner. Kurt hat den Schäferhund seines Vaters im Frankfurter Stadtwald ausgesetzt. Die Beinprothese seiner Mutter stiftete er dem Gernegroß-Fundus gestiftet. Er verdankt seinen Eltern ein Vermögen und jede Menge Status, trotzdem kommt ein dankbares Andenken nicht infrage. Expect no mercy. So lautet die heimliche Burgdevise. „Nur die Harten kommen in den Garten“, weiß Gerhard Schröder. Wäre der König gebildeter, könnte er mit Boris Vian eskalieren, aber da fehlt ihm was vom diskreten Charme der Bourgeoisie. Aus eigener Kraft ist ihm wenig gelungen, und wir, die Beobachter des Geschehens, wissen das genau. Wir liegen auf der Lauer in Erwartung royaler Fehler.

„Der König schätzt schöne Worte, doch er vermag sie nicht in Taten umzusetzen.“ Sunzi

Er sät routiniert Zwietracht, bloß keine Einigkeit im Fußvolk, dann rottet es sich auch nicht zusammen.

„Das Leben ist bunt“, verkündet Kabarettdirektor Norbert Nasenschweiß nebulös im Tonfall seiner Mutter; während die Eingeweihten ihre vorgeschriebenen Plätze am königlichen Stammtisch einnehmen. Von wem werden wir als nächstes erfahren, was wir nie für möglich gehalten haben? Es geht einmal wieder um vormals stabile Verhältnisse deregulierende Körperkontakte, Mietschulden, Telefonrechnungen, stets unverschuldete Unfälle und vorhersehbare Trennungen, mit denen man niemals gerechnet hat. Tisch sieben verlangt die Rechnung.

„Zahlen Sie alles zusammen?“

Im Jargon der Burg-Veteranen ist Tisch sieben „der alte Wagner“ nach einem Stammgast, der behauptete, den letzten deutschen Kaiser persönlich gekannt zu haben. Wie weit die Bekanntschaft reichte, hing vom Pegel ab. Der Mann war Hufschmied. Man sieht überhaupt keine Hufeisen mehr, fällt Hannes ein. Am Buffet staut sich eine ostdeutsche Reisegruppe. In der Kasse unter dem Sommerschalter ist jede Menge Schotter vermutlich schlankweg vergessen worden. Der König macht keine Anstalten, Jana zu unterstützen. Hannes kann gerade auch nicht. Er legt Holz nach. Unauffällig verheizt er in dem antiken Kanonenofen auch das kunststoffbeschichtete Zeug, das nach einer Aufräumaktion klein geschlagen wurde. So ein Mist, der den Schornstein verboten rauchen lässt. Die Säule steht kerzengerade über dem Nordend.

Jede Sublimation steigert den Reiz. Marianne mobilisiert die Lust, sich in schönen Kleidern zu zeigen, sich phantasievoll an- und auszuziehen. Dazu kommt eine weitreichende und tiefschürfende Liebe zu Worten. Doch was macht man, wenn der noch schüchterne Verehrer zwar die richtigen Worte findet, darüber hinaus aber im Multifunktionsstil steckengeblieben ist. Hannes trägt drei Karabinerhaken und einen monumentalen Schlüsselbund an einem Gürtel mit kolossaler Schnalle. Ist das nicht infantil? Als Barchef des Königs verschleiert Hannes einen intellektuellen Background und seine von Begabung und Erfolg illuminierten, künstlerischen Neigungen. Seine Beschäftigungen in der Burg erlebt er selbst als Agententätigkeit. Getarnt als tüchtiger Mann aus dem Volk saugt er das pralle Leben ab. Marianne spürt die Vibrationen großer Vitalität.