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2024-11-27 11:43:30, Jamal

Magische Momente

„Könntest du bei mir?“, fragt Tine nichts Eiliges.

Hannes schlägt gern gelegentlich mal eine Runde Kacheln von Tines Küchenwänden. Eine transgenerationale Erinnerung an Spanndienstverpflichtungen. Weder sein Vater noch sein Großvater war handwerklich. Mit keiner Geste sanken die Ahnen je unter das Bürgerliche. Hannes proletarisiert sich. Er zieht lieber mit Köchen als mit Künstlern um die Häuser. Am liebsten zieht er mit Gero los. Die kulinarische Versöhnung der thailändischen Küche mit hessischer Lebensart hat Gero zu lokaler Prominenz verholfen. Obwohl er fast alles seiner lieben Frau Gerda verdankt, endet jeder Ausflug in einem Laufhaus an der Breiten Straße.

„Vielleicht morgen bereits“, stellt Hannes seine Hilfsbereitschaft in Aussicht.

„Wann immer es dich von Dringlicherem nicht abhält“, vollendet sich Tine vorsätzlich gewunden. Nie wieder wird man so übereinander herfallen wie in der gemeinsamen Orientierungsphase vor zwanzig Jahren. Damals verstand Hannes, dass Sex auch die Funktion von Sondierungsgesprächen hat. Er erkannte den doppelten Boden erotischer Akribie. Zu jedem Stelldichein kam Hannes von etwas Nützlichem und hatte wieder was dazugelernt. Seine historische und seine literarische Bildung gehen über das Ortsübliche hinaus. Ihm ist, als enthielten manche Bücher nur für ihn bestimmte Kassiber. Im Licht seiner Einfälle entdeckt er magische Meldungen. In der magischen Welt gibt es keine Zufälle. Bedenken muss nur tragen, wer vom Schicksal subordiniert wurde. Nichts Bekümmerndes hält Hannes in seinem Vorrat. Erst im 18. Jahrhundert wurde die Marienkirche auf einen Acker im Schatten der Frankfurter Wallanlagen gesetzt. Nach Plänen eines du Ry, auch er der Nachkomme von réfugiés. In diesen August fiel mehr Niederschlag als je seit Anbeginn der Messungen. In sehr alten Büchern findet man zuweilen Wetterbeobachtungen auf den Schmuckbögen. Eine Glocke der Marienkirche wurde dem Großen Vaterländischen Krieg geopfert. Krieg, Pest und Cholera sind wie der Wind durch die Burg der Wundersamen gezogen. Hier ist Hannes daheim. Er guckt so ein bisschen an Tine vorbei. Sie kichert. Hannes muss sich unbedingt eine Parkettschleifmaschine von Ökobauen im Oeder Weg borgen, vielleicht auch eine Randschleifmaschine. Seine Knie machen sich gleichermaßen schmerzlich bemerkbar. Wie wird das werden erst im Alter?

Das Leben darf sich nicht erschöpfen in Zwangsgeldern und Dreckswäsche und die Rollladen morgens automatisch und die Rouladen mittags mit viel Liebe wie gesagt. Aufschübe müssen herbei telefoniert werden. Die Sachbearbeiter stets sachlich. Noch einmal leben. Nicht nur Sorgen. Altes Liedgut treibt an. Ich habe dir nie how many roads always be a good boy wenn die Sonne bei. Jugendlicher Eifer als Scheinblüte und Mimikry.

*

Der Lack geht nicht einfach ab von den Dielen in Mariannes Wohnzimmer, das zugleich ihr Schlafzimmer ist. Das einzige Zimmer eben außer der Küche. Fachmännisch streichelt Hannes den Boden. „Das ist Ochsenblut, ein fürchterliches Zeug, unkaputtbar bis in alle Ewigkeit“, verkündet er. Er ist ja nicht fremdgegangen gestern mit Tine. Schließlich hat Marianne noch keine Anstalten gemacht, sich zu erklären.