„Eine kleine Stille kam zwischen uns, so präzise wie ein an der Wand hängendes Bild.“ Jean Stafford
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Musenzeit: „Ja, swingen in Pastell - das Bild gefällt mir sehr in seiner Schwingung, ich sehe gleich Skizzen vor mir zu den Episoden. Marianne und Hannes im erotischen Strom, der sie kraftvoll zueinander führt und miteinander wachsen lässt. Schön und aufregend ist das! Ich mag die Vorstellung sehr für die Erzählung, wenn kein klassisches ‚Sex-Macht-Drama' die treibende Kraft wäre, was sich schnell im literarischen Kreationspotential erschöpft, sondern eine tief verankerte seelische Verbundenheit, die sehr viele (erotisch-sexuelle) Ausdrucksformen haben kann in der Story.“
Hannes Kesselmann rudert zurück
Ich muss euch das jetzt doch auch noch erzählen. Die erste Verstimmung gab es, als Hannes sich Marianne in einer erotischen Szene ausmalte und Musenzeit Beifall erheischend davon in Kenntnis gesetzt wurde.
Als Mariannes Kronzeugin und zugleich als ihre Anwältin konterte Musenzeit senkrecht:
„Vermutlich habe ich da gerade eine andere Marianne im Kopf, wenn ich die neue Szene lese. Dass du sie erst einer anderen Figur zugeschrieben hattest, erklärt das natürlich. Marianne ist viel weniger ‚klassisch-devot‘ veranlagt, als das Hannes bisher gewohnt war. Vielleicht geht das so als kleine Textvariante, wie sich die ‚Regisseurin Marianne‘ auf so eine intensive Gedanken-Begegnung einlassen würde:
Marianne liebt ihre Bewegungsfreiheit rund um ihre Hüften. Strumpfgürtel würden sich unter ihrem schmalen, leichten Kleid viel zu sehr abzeichnen. Marianne mag keine Zügel, sie lässt sie wieder zu Boden fallen.“
Ich ruderte zurück.
„Du bist meine Versicherung. Was für dich geht, geht raus. So entgehe ich dem Risiko, Ranz zu verbreiten. Ich bin 63 und verstehe das autochthone Englisch und Amerikanisch der jungen wattpad-Autoren nur noch oberflächlich. Ich habe keine Tiefenwahrnehmung mehr an vielen Stellen. Mir steht die Differenz so deutlich vor Augen, weil ich früher als Pfadfinder des Augenblicks herausragend informiert war."
Mit der nächsten Version war Musenzeit einverstanden:
„Danke, ich bin froh um deine Zustimmung, das entspannt mich wieder! Das Nachfolgende hatte ich schon etwas früher geschrieben für die morgige Episode. Wunderbar stimmig liest sich das, ich habe nur Kleinigkeit (blau) hineingeschrieben für die Orientierung in Australien.
Ja, ich empfinde es auch als ‚magisch‘, was sich in Texten ausbreitet und zurückzieht, sonst schreibe ich so alleine. Ich gewöhne mich an unser erzählerisches Zusammenspiel, es ist lustvoll, Literarisches gemeinsam zu kreieren. Es braucht allerdings ein wenig Zeit, mich da zurechtzufinden, du bist da sehr schnell in der Kreation. Das ist schön, das zu begleiten.
Ich genieße deine erzählerische Aufspreizung von Zeit und Raum durch diese Episode, die intensive Begegnung in Mariannes zuhause. Dass die starke Präsenz wie ein Schnaps wirkt, gefällt mir extrem gut! Marianne und Hannes nehme ich als ein sehr dynamisches und kreatives Paar im Liebes-Zusammenspiel wahr, sie stärken und bündeln ihre Fähigkeit im Miteinander. Siehst du das auch so, als ihre Entwicklung im Verlauf der Geschichte? Das erschließt sich für den Leser nicht auf den ersten Blick, sie agieren im wahrsten Sinne vorerst im Hinter- und Untergrund und loten ihre Möglichkeitsräume auch in Interaktionen mit anderen Figuren aus. Macht-Typen wie dem König und Nasenschweiß passt das nicht so unbedingt in den Kram, wenn die Dinge zukünftig etwas anders laufen könnten als gewohnt - eben etwas ‚jazziger‘ ...“
Um an einer anderen Stelle fortzufahren - Wie gesagt, Marianne wuchs in Perth auf. Ihre Eltern trennten sich, als Marianne elf war. Im Augenblick wollen wir nichts von den traurigen Ausläufern der Scheidung erzählen, sondern uns wieder der Koinzidenz zuwenden, dass ein Frankfurter Agent, Journalist und Schriftsteller namens August Kesselmann im ausgehenden 18. Jahrhundert ausgerechnet in Australien seiner Abenteuerlust freien Lauf ließ, mit weitreichenden Folgen für das Burg-Paar Marianne Frühauf und Hannes Kesselmann.
Rückblende - In der Gegenwart von Damals
Noch hat Großbritannien allenfalls einen Fuß in der australischen Tür. Die britischen Ansprüche sind unbefestigt. Jederzeit könnten sie von Frankreich bestritten werden. Chinesen wandern ein, graben britischen Siedlern das Wasser ab, graben Gold aus und steigen mit einem Kleinvermögen in den Einzelhandel ein. In der Zwischenzeit scheitern amtsgewaltige Siedlungsgründungen.
Das Übelste des Empires kommt in Australien zusammen, der schwache Gouverneur King wird von Bill ‚Bounty Man‘ Bligh abgelöst. Massiv geht Bligh gegen die Schwarzbrennerei vor, Rum ist eine Währung in der Kolonie. Bligh hat schon vorher bewiesen, dass ihm zur Diplomatie die Voraussetzungen fehlen. Er markiert den harten Hund bis zum Anschlag und hat gleich wieder eine Meuterei am Hals. Die Meuterer setzen ihn fest, das kennt er schon.
Kesselmann sieht in Bligh einen Mann, der im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg auf der falschen Seite stand. In seinen Schilderungen gibt der Chronist seiner Abneigung keinen Raum. Stattdessen erinnert Kesselmann daran, dass Bligh, der als Navigator und Kartograf James Cooks letzte Reise mitmachte, nach dessen Ermordung auf Hawaii das Flaggschiffkommando verlangte.