Von einer anderen Plattform:
„Immer wieder Lesefreude! Danke Jamal!“ Seelenbaumler
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„Danke für diese Erzählung - liest sich einfach wunderbar!“ Roman Scamoni
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Jamal: „Liebe Musenzeit, Marianne macht Yoga und Dauerläufe. Sie schwimmt und bringt einen kaum bekannten, lange nur in einer vietnamesischen Familie weitergegebenen Gong-fu-Stil mit. Hannes trainiert täglich Karate und einen populären Gong-fu-Stil. Marianne verschattet ihr Interesse an der Passion ihres Geliebten. Sie will ihre Exerzitien für sich, die Kultivierung in dem geschlossenen Raum ihres Selbst. Doch siegt die Faszination. Beide fahren auf Internal Power ab, während die meisten Menschen überhaupt keine Ahnung davon haben, wie man sich mechanisch hochfährt. Die beiden laden sich auf und begegnen sich vollkommen überflutet im Rausch der Endocannabinoide und Endorphine. Zwei Sachen stören Marianne an Hannes: er ist absolut ortsgebunden und er will sich von ihr nicht überwältigen lassen. Er buchstabiert sich das Verhältnis bloß als Sommerliebe. Das ist der nächste Titel - Bloß eine Sommerliebe“
Musenzeit: „Lieber Jamal, der Austausch über die Gong Fu-Stile ist genial, die Idee einer endorphinüberfluteten Begegnung mit Internal Power auch - da freue ich mich schon sehr auf diese storyline! Ich sehe Marianne nicht so im Dauerlauf, lassen wir das Hannes machen? Sie schwimmt, er läuft? Das Laufen passt für mich zu Hannes' Ortsgebundenheit, ein schöner Kontrast.
Marianne ist auch eine Tanzende, zusammen mit anderen Frauen genießt sie im Tanz ihre ganz archaisch-instinktive weibliche Kraft. Das macht sie gerne mit den Burg-Frauen zusammen.
Warum sollte Marianne Hannes überwältigen wollen? In diese Vorstellung für die beiden komme ich nicht hinein... Als Liebende kämpfen sie ja nicht miteinander, sondern vereinen sich zur gegenseitigen Beglückung und vielleicht ja auch für etwas außerhalb ihrer selbst, das dadurch entstehen mag... So sieht das Marianne. Versteht Hannes das anders in ihrer Begegnung?“
Bloß eine Sommerliebe
Ein Regisseur quälend langer Theaterabende bekennt: Ich langweile mich sehr schnell im Theater. Auch dazu gibt es eine passende Bemerkung von Heiner Müller (HM): Was du dem Zuschauer nicht antust, tut er dir an. Marianne könnte den ganzen Abend Heiner Müller zitieren, alles vollzieht sich „im Lidschlag zwischen Stoß und Stich“ (HM). Sie hat Oberwasser, der Gernegroß-Damenkranz verspricht sich viel von der Australierin. Aufgewachsen in Down Under, wie geil ist das denn. Das allgemeine Interesse hebt Marianne auf einen feministischen Sockel. Die initiierten Frauen in der Burg bilden ihre eigene Fraktion. Mit dem Faustkeil der List bekämpfen sie das Patriarchat. Auf Norbert Nasenschweiß‘ Kleinkunst-Spielplatz tarnt sich das Patriarchat im grünen Mantel des Fortschritts. Auf der anderen Seite der Welt, in der Burgschänke, tarnt sich niemand. Der König (bürgerlich Kurt Wundersamen, seines Zeichens dynastischer Burgwirt) reizt sein Machtblatt aus. Er guckt, was geht. Und es geht viel. Erstaunlich viele Frauen lassen sich auf den anachronistisch-königlichen Komment ein, gewiss nicht alle aus schierer Not.
Für die zu spät gekommenen Zeitgenossinnen - Marianne debütiert als Regisseurin in einem kleinen Frankfurter Burgtheater, das einst von Norbert Nasenschweiß als Kabarett Gernegroß gegründet wurde. Ihr Liebhaber Hannes Kesselmann buchstabiert das Verhältnis bloß als Sommerliebe. Kleine Liebeslösungen sind Marianne ein Gräuel. Doch um die Wahrheit nicht ganz aus den Augen zu verlieren: Marianne hat selbst gelegentlich eine Verbindung gelten lassen, die nichts anderes sein konnte als eine Affäre. Das Ding mit Hannes ist für sie aber mehr. Wieder beruft sie sich auf den Theatergott Heiner Müller. Er kannte das Geheimnis der Anziehungskraft. „Alles eine Frage der Haut“, sagte er.
Aus Mariannes Aufzeichnungen/Perth 20..
Von den Ankündigungen eines schönen Tages überrascht, verabschiedeten wir Freunde nicht ganz so förmlich, wie das Wort Abschied es nahelegt, gewiss wurde niemand zur Tür gebracht - und gingen mit dem Metallgeschmack der Nacht zu Bett. Wayne kokste weiter. Er fragte: „Kriegst du manchmal Lust auf andere Männer?“
Sofort brach die Verbindung ab. Apathie setzte ihre Flagge in Waynes Acker. Das wollte ich nicht, so was will kein Mensch, aber er konnte gerade nicht anders, als allen Einflüssen des Niedergangs freie Fahrt zu garantieren. Mit nichts kam er weiter und voran.
Waynes Vater erforschte das All. Er war ein Kongressstar auf Welttournee. Die Mutter stammte aus einer Perth-Dynastie, die sich bis zu James Stirling, dem ersten Gouverneur von Westaustralien zurückverfolgte. Wayne studierte Biologie, er wollte in die Stammzellenforschung. Er wusste nicht, an welchem Tag wir zusammengekommen waren. Er erinnerte noch nicht mal den Monat. Sommer war es. Ich hatte Leichtfertigkeit mit Leichtigkeit verwechselt. Ich schrieb: Ich vermisse mein Sommergefühl vom letzten Jahr.
Du bist das schönste Kind von Traurigkeit, sagte mein treuer Verehrer Jake.
Wie kannst du glauben, dass Wayne treu ist? fragte eine Freundin. Er ist ein Cunt Hunter. Dann sah ich sie mit ihm. Mir war, als würde mich ein Zug durchqueren.
Alle Veränderungen sparten die Texte aus, die in unserer Rauschzeit entstanden waren. Wayne hatte mich produktiv gemacht, aber vielleicht war auch das nur eine Illusion. Kann ein Mensch, der nicht gut für einen ist, in dieser Konstellation überhaupt etwas Gutes bewirken?
Jedermann fand mich reizend. Mir war meine Wirkung verdächtig. Ich brachte Wörter wie Divination in Umlauf, Divination und Idiosynkrasien. Ich lebte in einem Schwarm. Man kam kaum durch und irgendwo an in all den Orgien des Gemeinsinns. Niemand entging dem Schwarm.