„Die Funktion von Kunst besteht für mich darin, die Wirklichkeit unmöglich zu machen." Heiner Müller.
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„Nicht, dass ich etwas für Sie empfände, es ist die Haut, die sich erinnert." HM, 'Quartett'
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Musenzeit: „Das ist jetzt ein neues Framing. ‚Schinkenbrot und Schnittchen' fällt mir da als Zwischentitel ein, das wäre passend für so eine Dynamik einer Begegnung. Marianne als eine Liebesdrama-Queen mit einem wahnsinnigen Mann an ihrer Seite ist schon eine extrem provozierende Vorstellung, so sehe ich Marianne gar nicht als Figur hier. Ich wüsste nicht recht, wo das hinführen sollte als Paar in der Story außer in eine unschöne Trennung und unglückliche Beteiligte... In dem Fall könnte ich Hannes sogar verstehen, dass das nur eine Sommerliebe bleiben würde. Eigentlich schade für beide, so eine Paardynamik ist ja irgendwie frustrierend aufreibend. Ob so ein Miteinander dann wirklich eine produktiv-kreative Zusammenarbeit werden kann...? Ich lasse mich mal überraschen, wie du das hier weiterentwickeln wirst..."
Jamal (nach einer Überarbeitung): „Und jetzt?"
Musenzeit, sich auf das kolportierte Heiner-Müller-Zitat „(Anziehung) ist eine Frage der Haut" beziehend: „Ja, das klingt jetzt danach, als können sie sich liebend begegnen. Was hatte Müller dazu zu sagen mit der Anmerkung zur Haut?"
Jamal: „Das freut mich für Marianne und Hannes. Für das Hautzitat habe ich keine Umgebung. Es ging wohl um seine letzte Ehe. Warum er sich als Sterbender der Vitalität einer viel Jüngeren nicht entzog. Weil er der Haut der Braut verfiel, während er selbst verfiel. Vielleicht so. Da war HM schon in diesem Modus: „Ich rauche zu viel / Ich trinke zu viel // Ich sterbe zu langsam."
Musenzeit: „Verstehe... danke. Das ist ja recht verbreitet."
Jamal: „Liebe Musenzeit, ich glaube, in der Bemerkung von Heiner Müller steckte Resignation. Vermutlich stand ihm das Klischee-Bouquet alter Mann/junge Frau/späte Ehe/verspätete Vaterschaft schmerzhaft deutlich vor Augen. Es gibt ein Foto von ihm und der letzten Gattin in Bademänteln. Die (gefühlt) post-koitale Sequenz wirkt wie der Abschluss eines Saunagangs."
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Jamal: „Jetzt habe ich doch noch ein Zitat gefunden: ‚Nicht, dass ich etwas für Sie empfände, es ist die Haut, die sich erinnert‘.“ HM, ‚Quartett‘
Renaissance des Sozialistischen Realismus
Auch für die Aschenbecher gibt es eine Hierarchie in der Burgschänke. Jedes Verhalten ist gestuft und abgestimmt, wie in einer verdorbenen Mandarinengesellschaft. Wenn ein Hahn falsch verbaut oder ein Schalter weiß der Henker weshalb im Verborgenen angebracht wurde, dann gehört das zum Herrschaftswissen und wird nur dosiert und höchstens aus Bequemlichkeit weitergegeben. So wie das Holz aufzuschichten ist und an welchen Stellen genau in der sehr uneinsichtigen Anlage der Burg.
Beförderungen entgehen ihrer Aufmerksamkeit - Jana steigt in Kurts Königreich auf, ohne es zu bemerken. Eines Tages überreicht Hannes mit dem Schichtlohn auch die wichtigsten Burgschlüssel. Der Vertrauensbeweis lässt Jana kalt. Von jeher will ihr jeder die Verantwortung übertragen. Sie ist die Zuverlässigste in jedem Team. Bereits nach drei Monaten im Burgdienst steht sie turmhoch über dem königlichen Faktotum. Nach zwanzig Jahren Knechtschaft darf Babu immer noch nicht selbständig abrechnen. Aber das ist eine andere Geschichte.
In der Ruhe eines Vormittags schält Jana Kartoffeln. Sie sortiert Kohlköpfe. Sie kümmert sich um den Müll. Mit der Müllverordnung kriegst du jeden klein. Und natürlich trifft man auf den illegalen Halden die erstaunlichsten Typen, ehemalige Rocker und lebenslange Totschläger wie zum Beispiel die Mamba. Die GI's in Vietnam tauften die Grüne Mamba Twostep, weil der Tod so plötzlich nach zwei Schritten - two steps to death.
In Rio werden nachts Straßenkinder totgeschlagen, was manche Leute sich vormachen, macht ihnen so schnell keiner nach. Jana hat Belle de Jour-Empfindungen, die sie für sich behält. Sie besitzt ein Kleid, das sie nur in der Einsamkeit ihrer Einraumwohnung trägt. In ihrer Phantasie lässt sie sich von einem ästhetisch versierten Junggesellen einladen. Sie beschenkt sich mit dem Satz: Die Wohnung war das Beste an dem Mann.
Um an einer anderen Stelle weiterzumachen - Aus Mariannes Aufzeichnungen
Bei Strittmatter fand ich diese Bemerkung über Brecht: Er habe „den kommunistischen Ideen Theaterröcke angezogen und sie zu den suchenden westeuropäischen Intellektuellen in Marsch gesetzt". Das erklärte Brechts Erfolg in Frankreich. Da war dann auch Heiner Müller (HM) ein gefragter Mann.
Strittmatter bezeichnete die BRD als „Altenteil des Landes".
„Als Hitler der Treibstoff ausging, begann der Golfkrieg", sagt HM. Juri kolportierte das. Wir spazierten am Main, ich sehnte mich und war gespannt. Ich besprach mich immer zuerst mit Juri, wenn das möglich war. Die orthografische Differenz zwischen Leben und Lieben erledigt ein Buchstabe.
Ich bereitete mich auf diese Frage in Zukunft vor: „Kannten Sie Juri S. persönlich?"
Juri sagte: „Entweder man schreibt für die Ewigkeit oder gar nicht. Jedes Stück muss so haltbar sein, dass es sein Verbot überlebt ... Der Schulterreiter auf dem Sprachbewusstsein heißt Shakespeare ... Es wird nichts mehr verboten, da ist das Elend."
„In wie vielen Verhältnissen lebst du im Moment?" fragte er. Was sollte das? Ich dachte, er traut mir überhaupt nichts zu.
„Welches Grab schützt mich vor meiner Jugend." HM
Dann erzählte ich doch von Hannes. Ich vernahm Juris Eifersucht in all seinen Bemerkungen, mit denen er sich nicht zu verraten versuchte.
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„Der Spuk ist nicht vorbei." Der Spuk, das sind die Leichname der Bourgeoisie. „Aus allen Winkeln kriechen die Gespenster". Und auf den Straßen regieren „Hass und Hohn: die Massen auf der Flucht vor der Befreiung." Heiner Müller
P.S.
Die Sonne war ein Kaltstrahler. Zwei Jahre später textete Juri in Berlin: Wir sind noch nicht fertig miteinander. Er hatte noch einmal geheiratet, trotz allem gab er meiner Arbeit Auftrieb und Richtung. Historisch schlug die Stunde der ostdeutschen Dramatik, mir schwebte eine Renaissance des sozialistischen Realismus vor.