Jamal: „Ich brauche eine weibliche Gegenfigur zu Marianne. In deiner Obhut wird sie wohl kaum betrunken - in einer Bar und zwischen Mülltonnen - mit einem Aufschneider herumknutschen. Sie hat ja auch ein volles Programm mit Rouven und Hannes. Siehst du das auch so?“
Musenzeit: „Aber sicher, Marianne hat volles Programm und ist doch außerdem im Yoga-Flow und schwanger, da kommt sie nicht auf solche Ideen. ;-) Ich folge gerne deinen Figurenreigen durch die Texträume, dabei gibt es immer etwas zu entdecken.“
*
„Lieber Jamal, danke, als Textraum ist es wie immer exzellent, sehr spannend und durchaus (leider) sehr realistisch. Ich habe mich vorhin etwas hinreißen lassen in den Kommentaren, das tut mir leid, wenn das bei dir als Kritik an deinem Erzählen ankam. So war das nicht gemeint. Ich bin ja nur für Marianne hier mit dabei, ich habe sie da ‚verteidigt'. Ich sehe ihr freies Wesen nicht gerne in einer Manipulationsszenerie gefangen. Mir erschien Rouven zunächst ja anders im Feld... Mit der Charakterisierung von Rouven als diesen attraktiven, aber manipulativen Yoga-Alpha-Typus hast du den Nagel auf den Kopf getroffen, dieser ‚Pseudo-Erleuchtungstypus' ist medial weit verbreitet. Für mich ist das eine sehr erfolgreiche Variante des Superegos.
Für den Text-Plot hast du eine spannende Dynamik erzeugt, indem noch Ariane mit ins Spiel kommt. Für die schwangere Marianne wird es ja nun wirklich schwierig... ich bleibe gespannt darauf, was du da weiter explorierst.
Die Episode zuvor mit Valerie fand ich sehr fein sprachkomponiert. Sie ist ja eine der Schauspielerinnen auf der Bühne. Mag sie Marianne? Vertraut sie ihr?“
Ein Leben im Viererbund II.
Für unsere Leser:innen - Nach unserer Diskussion zu der letzten Episode habe ich vorübergehend den diskutierten Text zurückgezogen. Jetzt setze ich ihn an diese Stelle. Musenzeit hat klar gemacht, dass sie Mariannes Lage zwischen zwei Egoshooter schwierig findet. Andererseits ist Marianne bestimmt nicht so instinktlos, dass sie sich an Typen verschwendet, die zu blöd sind, eine leere Schublade aufzuräumen.
*
Marianne barfuß im knielangen Rock an der Nidda, eine naturalistische Offenbarung. Jetzt beugt sie sich vor und hebt den Stoff für Rouven, der sich für die Inkarnation eines nordischen Gottes hält und von einem olympischen Harem träumt.
Mariannes Hintern schwingt zur Freude ihres Meisters. Marianne ist das vorläufige Endstück einer soliden Generationenfolge, die sich weit in die Jahrhunderte zurückverfolgen lässt. Ihre Vorfahren waren englische und deutsche Seefahrer und australische Goldsucher und Rancher, bevor sie zu Anfang des 20. Jahrhunderts Wissenschaftler und Lehrer wurden.
Die Szene spielt in der Wetterau.
„Die Wetterau ist eine Landschaft in Hessen, Deutschland. Naturgeographisch ist sie Teil des Rhein-Main-Tieflandes. Der Name leitet sich von der Wetter ab, einem rechten Nebenfluss der Nidda." Wikipedia
Glücklicherweise ist Marianne nicht allergisch gegen Pollen. Ganze Heerscharen von Aromen liegen in der Luft. Wie in einem kleinen Gefäß wird sie immer etwas von dem Glanz dieses kernigen Glücks mit sich tragen. Es ist so etwas wie ein Allheilmittel, das zweitklassige Gerichte schmackhaft macht.
Als Rouven den Samen in sich aufsteigen fühlt, löst er sich von Marianne. Er weiß noch nichts von ihrem gesegneten Zustand. Die Befruchtete liebt Nuancen, Valeurs und Stimmungsranderscheinungen schon wieder im beinah nächsten Augenblick. Jetzt sagt sie es Rouven.
„Ich bin schwanger. Du könntest der Vater sein. Aber vielleicht auch nicht.“
*
Stellen wir uns Marianne und Rouven in einem abendlichen Chat-Verkehr vor. Man kann das als erweiterten Betrug begreifen. Aber so nimmt Marianne ihre Stellung in der Welt nicht wahr.
Rouven: „Zu deinen Fragen und der Idee von einem Leben zu viert. Wir sollten es langsam angehen lassen. Erst muss der Keller ausgehoben, dann das Fundament gegossen werden. Es überrascht mich nicht, wenn du sagst, dass du mich spürst, während du dich an der Wirkung erfreust, die dein Körper auf Hannes hat. Es ist wie eine sprudelnde Quelle. Eine Erfrischung. Ich weiß, dass du mich fühlst. Du erlaubst mir, dich in Manifestationen zu sehen. Diese Räume existieren zweifellos. Ich freue mich auf die nächste Ladung in Sprache umgesetzter Erregung. Du brennst jetzt ständig und ich möchte auf dem Laufenden gehalten werden.“
Marianne: „Mein lieber Meister, darf ich das sagen, darf ich dich so nennen, Meister der Manifestation, Meister der Vorstellungskraft, Yoga-Meister, ich weiß, dass du mich siehst, wenn Hannes mich nimmt, als sei ich nur zu dem Zweck auf der Welt, ihm zu gefallen. Ich habe schon einige von den Klippen ihrer Selbstsicherheit gestoßen, während sie sich in einem Märchenwald der reinen Wunscherfüllung wähnten. Bei Hannes kommt mir das nicht in den Sinn. Aber das weißt du ja alles. Ich kann dich nicht täuschen und Hannes will ich nicht täuschen, auch wenn er mich oft enttäuscht. Ihm fehlt deine Aufmerksamkeit. Es gibt keine Ecke, in der ich mich vor dir verstecken könnte. Aber das will ich sowieso nicht. Sobald die Verbindung schwächer wird, werde auch ich schwächer und verliere mein Selbstvertrauen. Ich denke dann immer daran zurück, was ich vor dir war. Du musst mir immer erlauben, dich in den Räumen der Manifestation zu erleben, was in erster Linie bedeutet, dich zu spüren."
Ja, Rouven. Wenn man ihn so betrachtet, asketisch, athletisch, streng, mit furiosen Augenbrauen, der Prototyp des ozeanischen Gentleman-Backpackers, intellektuellen Bergsteigers, Wildwasser-Kanuten und Yoga-Alpha-Steppenwolfs - ein moderner Sir Edmund Hillary, sobald er sich in den Medien spiegelt - kann man sich nicht vorstellen, wie manipulativ er sein Genie einsetzt. Marianne ist das Gefäß seiner Einfälle - so sieht er sie. Ich muss euch das sagen. Heimlich greift Rouven das Gleichgewicht seines Rivalen an. Marianne dient ihm ahnungslos, glaubt sie doch, Rouven werde sich mit Hannes mühelos arrangieren.
Noch weiß nur Rouven von Hannes, während Hannes viel List darauf verwendet, Ariane nahezukommen. Wir springen in eine Szene, Ariane trägt einen klassischen blauen Jeans-Minirock. Sie präsentiert ikonische Brüste, kaum verborgen von einem weißen Satin-Camisole mit Spaghettiträgern. Sorry, Marianne, aber wir erzählen hier direkt aus dem Powerhouse.