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2024-12-19 13:23:38, Jamal

Im Bett mit Vielen

„Wir werden die Preise auf den Speisekarten der kleinen Cafés vergleichen, Francs zählen, den Turm betrachten, in dem Marie Antoinette auf ihre Enthauptung wartete, vor der Fensterrosette von Notre Dame knien." Anne Sexton

Orientalische Troubadoure spielten die Musik eines Wüstenvolkes. Angeblich verkörperten sie eine Tradition vagabundierender Virtuosen, die einst Paläste abgeklappert hatten, so wie bei uns Minnesänger auf Burgen vorstellig geworden waren. Die „Uḍadē kārapēṭa" zogen mit zwei Tänzerinnen und einem Fakir umher. Der Fakir sah aus wie ein bulgarischer Ringer im Ruhestand. Jederzeit hätte er auch den Mörder in einem Remake von Agatha Christies Orient Express spielen können. Er schluckte Feuer, wälzte sich auf einem Scherbenbett bis zum blanken Grund und kratzte sich ausgiebig. Seine Fähigkeiten langweilten ihn offenbar. Vermutlich entstammte er einer Fakirfamilie und war vom Vater zur Ausübung seines Berufs gezwungen worden. Er trug weiter nichts als Schnauzbart und Lendenschurz im Stil von Tarzans Bademode. Ähnlich unverblümt brachten sich die Tänzerinnen ins Spiel, die Sache hatte Methode. Wahrscheinlich war das Bett deshalb so voll.

Eine Kneipe, die Das Bett hieß - auch das gab es in Frankfurt. Sich „im Bett" zu treffen, war der letzte Schrei. Die „Uḍadē kārapēṭa" stammten aus „Dynastien", angeblich war ihre Heimat ein Schmelztiegel hinduistischer und islamischer Kultur. Das behauptete der Wirt. Leander war schon ziemlich hacke, aber Experte. Ferner behauptete er, barfuß und unblutig auf Scherben laufen zu können. Ariane wünschte an dieser Stelle keinen Beweis. Ihr gefiel die ursprüngliche Trance Music. Es klang, als unterhielten sich Grashüpfer. Die Lieder wurden aus dem Gedächtnis gespielt, angeblich hielt man in ihrer Umgebung nichts schriftlich fest.

Das ausufernde Spiel der Tänzerinnen animierte Arianne. Das Bett verlor seinen Beatclubcharakter an Stimmungen wie in einem Animierschuppen. Im Trüben trieben Täuschungen auf, Halluzinationen, Simulationen, Narreteien. Ariane dachte an den Regenbogen-Ragwurz. Die Lippe der Ophrys iricolor ist so gefärbt, dass man ein Insekt mit schimmernden Flügeln zu erkennen glaubt. Dem Irrtum erliegt nicht nur das menschliche Auge. Auch Bienen fallen herein. Die Rede ist von „Pseudokopulationen" mit fruchtbarem Effekt. Die Orchidee erhält sich so. Joris-Karl Huysmans nahm den Vorgang zum Beispiel für „Pflanzenintelligenz". Marcel Proust verstand „die von sämtlichen Tollheiten der Vegetation" hochgejubelte „Königin des Treibhauses" als Parodistin der Dingwelt. In seinem Paris war sie eine Exilantin, die mit dem „falschen Äquator der Ofenheizung" vorliebnehmen musste. Ariane wiegte sich in Hannes' Armen. Sie zitierte Anne Sexton, die von „bösen Dingen träumte" und „in der schwarzen Nacht" umging als ihr eigenes Gespenst. Für Sexton zählte das Schreiben zur Schwarzen Kunst. Die Dichterin sah sich als Hexe, „mittelalt, ich", das Gegenstück zu einem „wilden Mann", der den Erdkreis „verschandelt".

Ariane fand sich in solchen Auffaltungen wieder. Sie leckte Hannes' Hals im Bett. Sie legte eine Zeigefingerspitze auf seine Lippen, aber der Mund blieb geschlossen. Hannes drängte zwischen ihre Beine. Seine Hände klebten fest an Arianes Arsch.