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2024-12-23 06:40:21, Jamal

Der Burggeist spricht - Jetzt weiß ich es, „Das Bembelherz", das ist die Göttliche Komödie als hessische Kleinkunst.

Zwei Stockwerke über Gott

Das neue Jahr bricht für Jana auf der Kommandobrücke an. Zur Erinnerung, Kommandobrücke heißt das Buffet in der Burgschänke. Jana schenkt aus, als Einwand gegen Selbstbedienung. Ohne ihren Widerstand wäre der Burgtresen längst in der Hand des Partyvolks. 

Das Nordend ist zu Gast in der Burg und so soll es sich auch benehmen.

Schon verteidigt Jana die Burg gegen Übergriffe. Ihr ist das nicht bewusst. Bis eben kam ihr der König vor, wie ein korpulenter Kindgreis. Jetzt erscheint er ihr stattlich. Jana kommt kaum noch aus der Burg, seit sie im Haus wohnt. Zwei Stockwerke über Gott. Ist es so abwegig, einen Mann, der über so viel Raum verfügt und schwachen Menschen so viel zu geben hat, göttlich zu finden? Im Gegenzug für das wenigstens königliche Entgegenkommen lässt sich Jana zu einem Nachmittagsplausch mit Kaffee und Plätzchen in die Wohnung des Burgherrn einladen. Wir kommen später darauf zurück, auf den kolossalen Bildschirm, die Monstercouch, das Rauchertischchen im Nierenformat, bestückt mit einem antiken Pfeifenset, den röhrenden Hirsch auf der Blümchentapete und andere Zeugnisse aus einer Zeit, als die Zahnstocher noch aus Säbelzahn waren und es Mammutschinken zum Frühstück gab.

Durch die Burg ziehen Böen. In Janas Phantasie rückt das Meer vor bis zur Glaubburgstraße. Ein Strand entsteht. Jana muss ein Fass wechseln und deshalb in eine Katakombe hinabsteigen. Da ist Platz und Atmosphäre für Verließe. Im nächsten Krieg könnte man da Gefangene unterbringen. Zurzeit praktizieren da Hannes und Ariane zwischen Apfelweintanks die Meditationsform des stillen Beischlafs.

Wie ein Mann schreit die Burg nach Bier. Gute Vorsätze sind verboten.

„Leg Holz nach", befiehlt der König. Jemand aus der Kaste der Unberührbaren dient ihm als menschliche Fußbank, man gönnt sich ja sonst nichts. Der nie verbuchte Schotter in einer Lade unter dem Sommerschalter buhlt wie ein verwunschener Märchenprinz um Janas Aufmerksamkeit. 

Wie kann man gleichzeitig loyal und diebisch sein? Ich sage, das ist eine Standardvariante.

Der Kachelofen im Schankraum hat Schauwert. Jeder einschlägige Handgriff muss sitzen, sonst droht ein Arbeitsunfall. Jana hat sich das Nötige abgeguckt. Niemand fand es nötig, ihre eine technische Einweisung zu geben. Auch das gehört zur Macht, solch hinterlistige Scheidung der Spreu vom Weizen.  

Mit Grete kommen die Manish Boys in Katzenfellen und Tigerhosen. Als versierte Selbstversorger haben sie alles dabei, einschließlich der Zapfanlage aus dem Café läuft an der Rohrbachstraße. Im Goldstaub sollen Rohre geplatzt sein.

Die Manish Boys und ihre Fürstin tragen Schnee in die Burg. In der Räucherkammer aka Leichenschauraum errichten sie einen Scheiterhaufen. Offenes Feuer, das gab es noch nie an dieser Stelle.

„Das ist doch unterhaltsam", behauptet der König. Mit grüner Soße zeichnet er eine Schatzkarte auf den Tisch. Im Winter kommen die Zutaten für die grüne Soße aus Australien. Eine Unberührbare leckt leutselig Rotwein vom Boden, den Nasenschweiß vorsorglich verschüttet hat. Nasenschweiß kaut an einem halben Ring Fleischwurst. Er führt den Kopf zum Teller, wie viele Junggesellen über vierzig. Grete heftet das Konterfei eines verfeindeten Wirts an eine Wand - als Zielfeld für Dartpfeile.

Jana riskiert einen Blick ins Gernegroß. Auf der Bühne weint ein Seehund. An einer Traverse hängt ein Schauspieler am Strick. Wie langweilig Jana diese Schauspielertricks findet.

„Ich will gar nicht wissen, wer wen fickt", sagt sie zur Kaffeemaschine, nachträglich berührt von der Kellerszene mit Ariane und Hannes. Die Kaffeemaschine stand Jahrzehnte in einem Lokal, das es nicht mehr gibt. Sie entgegnet: „Ist doch alles bloß Evolution und Kokolores. Schnapp dir die Kohle und nimm den nächsten Dampfer. Er liegt schon an der Pier in der Weberstraße."

Woher weiß die Kaffeemaschine vom Geld unter dem Sommerschalter? Wird das Gernegroß demnächst eine Hafenbar mit einer zahmen Möwe als Attraktion?

*

Ein bergmännisches „Schluck auf" zu jeder vollen Viertelstunde, verlangt der König von seinem Volkssturm. Noch heute will er den Kranz konfiszieren, mit dem sich die Gaststätte Klaus falschfedrig als selbstkelternde Apfelweinwirtschaft ausgibt. Dabei war die Gaststätte Klaus schon immer bloß ein Bierlokal.

„Unsere Jana", brummt der Volkssturm. „Unsere Jana geht für die Burg in Pantoffeln durchs Feuer."

Jana ist die Einzige, die sich noch nicht von sämtlichen Dienstpflichten entbunden hat. Sie füllt Öl in den Raucherraumofen, der sich nur noch auf vertrackte Weise für seine Aufgabe erwärmt. Auch das gehört zum Herrschaftswissen. Jean Pütz ist mit 74 noch mal Vater geworden, die Natur spielt alldieweil Blinde Kuh. Toni kreuzt auf, sie war bis eben in der Alten Oper. Nobel geht die Welt zugrunde.