Zur Zeit der Hagelernte
Es gibt die Zeit der Hagelernte. Niederschläge erschlagen Gänse und Störche. Man liest das Vieh von Stränden. Für Prädatoren wird die Gegend zum Schlaraffenland. Manchmal übersteigt der Paraná sein gemeines Maß um fünf Meter. Er überschwemmt das Land der Herden, in Kähnen überfahren Hirten die Weiden. Nasse Säume aus Stauden, Unterholz, Büschen und Hecken gehen bis zur Verwirrung der Eindrücke ineinander über und unter. Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. Cornelius freut sich über seine Bestimmungsgenauigkeit bei Palmen und Lorbeer. Er sieht Zitronen neben „uns unbekannten Früchten“. Er bindet seinen Kahn an eine Krone, die wie ein Busch auf dem Wasserspiegel zu schwimmen scheint. Er genießt das Spiel der Trugbilder mit dem Stamm und seinen ertrunkenen Ästen.
Erschöpft vom Müßiggang, legt er sich bald flach in den Kahn. Die Leine verdreht. Der Kahn treibt in die Krone und bleibt darin stecken. Cornelius liegt unter einer Laubhaube. Er hebt schließlich den Kopf in unbekümmerter Vorsicht. Zwei Geächtete treiben auf einem Floss vorbei. Ihre Brandmale sind in Tätowierungen gefasst. Sie führen den Tomahawk des Südens, die Macana. Ihre Ohrläppchen sind ausgeleiert, die Lippen durchstoßen. Sie tragen Klauen an Schnüren. Sie bemerken Cornelius nicht. Sie gehorchen den Gesetzen des Waldes und sind doch ganz anders als jene Waldmenschen (Indio salvajes), die sich in ihren Verhauen dem apostolischen Segen widersetzen. Man versklavt sie nicht, die Gleichmäßigkeit eines christlichen Daseins und jede Arbeit tötet sie zu rasch. Cornelius beobachtete ein vorzeitliches Entsetzen bei diesen Leuten. Mit ihnen geht die Steinzeit in die Verlängerung. Anders als jene Wehrlosen leben die Stämme südlich und westlich des La Plata seit der „Entdeckung“ ihrer Lebensräume im Kampf. Sie sind mit den Pampapferden zu Zentauren verschmolzen. Sie rauben weiße Kinder und erziehen sie zu Wilden, die bald schrecklicher als ihre Geschwister gegen die Eindringlinge eingestellt sind.
„Verdiente Seniorinnen genießen das Vorrecht, den erschlagenen Feinden die Zähne auszubrechen, ein Zahnhalsband geht der situierten Wilden über Goldschmuck“, schreibt Cornelius in seinen Aufzeichnungen.
Die Ankunft der Europäer treibt viel Volk durch Morast und Dornenwälder dahin, wo sich ein unabhängiges Leben bewahren lässt. Solche Scharen betrachten Unversöhnlichkeit als Religion. Brave Kolonisten vergleichen die Verworfenen mit Völkern, „die Gott als Geiseln eines undankbaren, halsstarrigen Israel in Kanaan belassen hatte“.
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Fünf mächtige Mündungsarme packen das La Plata-Becken voll. Die Flussinseln bersten vor Fruchtbarkeit. In alle Richtungen kreuzen Kanäle. Die Kolonisten setzen auf dem Paraná ein Postboot ein; an Bord kennt man touristische Empfindungen.
Man reist schon zur „Gemütserfrischung“. Nicht jeder ackert. Es gibt Männer, die mit den üblichen Absichten gekommen sind, in der Neuen Welt jedoch zu Genussmenschen wurden und ihre Gewinne in landschaftlicher Schönheit suchen.