„Rub out the word. Line up all the tape recorders in the world and play the same tape... Cut word lines - Cut music lines - Smash the control images - Smash the control machine.“ William S. Burroughs, Nova Express
Smash the control machine
Smash the control machine
Sprache war einst das Medium der Wahrheit und des Subjekts. In der Tradition von Aufklärung und Idealismus galt sie als Ort, an dem sich Welt und Ich begegnen, ordnen und erkennen ließen. Die Sprache war konstitutiv für das Subjekt und Träger von Erkenntnis und Wahrheit. Diese klassischen Vorstellungen von Sprache wurden im 20. Jahrhundert infrage gestellt. Autoren wie William S. Burroughs, Jürgen Ploog und Rolf Dieter Brinkmann dekonstruierten das Vertrauen in die Sprache als Medium der Wahrheit und zeigten stattdessen ihre Vielschichtigkeit, Widersprüchlichkeit und ihre Funktion als Macht- und Kontrollinstrument.
Burroughs - Sprache als Virus und Kontrollsystem
Paranoid - Burroughs betrachtet Sprache als usurpatorisches System, das unser Bewusstsein kolonisiert. „Language is a virus from outer space“ - das fasst seine Haltung zusammen. Sprache infiziert und kontrolliert das Subjekt.
Burroughs' Interpretation von Cut-up zielt darauf, lineare und kohärente Erzählweisen zu dekonstruieren. Indem er Worte und Sätze zerschneidet und neu zusammensetzt, zerstört Burroughs die Illusion, Sprache könne Wahrheit oder Subjektivität abbilden. Vielmehr offenbart sich Sprache als ein technisches Kontrollinstrument, das den Menschen steuert.
„Rub out the word. Line up all the tape recorders in the world and play the same tape... Cut word lines - Cut music lines - Smash the control images - Smash the control machine.“
„Radiert das Wort aus. Stellt alle Tonbandgeräte der Welt in einer Linie auf und spielt dasselbe Band ab... Zerschneidet die Wortlinien - Zerschneidet die Musiklinien - Zerschlagt die Kontrollbilder - Zerschlagt die Kontrollmaschine." (Nova Express)
Burroughs‘ Textarbeit ist sprachliche Sabotage. Seine Texte legen Mechanismen der Kontrolle offen.
Ploog - Sprache als mediales Interface und Störung
Technoid, distanziert, visuell-meditativ, flüchtig - Ploog verlagert die Kritik an der Sprache als Medium der Wahrheit in eine medientechnisch durchdrungene, futuristisch designte Gegenwart. Seine Texte sind geprägt vom ständigen Fluss technischer Signale, Funksprache, medizinischer Fachbegriffe und Körperdaten.
Die Sprache wird hier nicht mehr als kohärentes Ausdrucksmittel verstanden, sondern als ein Interface zwischen menschlichem Bewusstsein und technischer Entwicklung.
Ploog dekonstruiert nicht nur die Idee der in Sprache offenbarten Wahrheit, sondern simuliert eine Sprache, die selbst als „Datenleck“, als Störung fungiert. Das Subjekt ist hier kein souveräner Sprecher mehr, sondern ein terminaler Punkt im komplexen Netzwerk von Signalen und Codes.
„Der Körper als Frequenz, Impulsgeber, Terminal. Wortsalven im Sprechfunkmodus. Funksignale stürzen ein, zerlegen Hirnräume. Sprache? Ein Leck im System.“
Die Dekonstruktion des Logos bei Ploog ist zugleich eine Dekonstruktion des Subjekts. Sprache produziert nicht das Ich, sondern zersetzt es in Frequenzen und Datenströme.
Brinkmann - Eruptive Überfülle
Sinnlich überladen, brutal montiert, urban - Brinkmann nähert sich der Kritik des Logos anders als Ploog. Während bei Ploog eine technoide Ästhetik das Sprachsystem in ein Interface verwandelt, operiert Brinkmann mit eruptiver Überfülle. Seine Sprache ist fragmentarisch, rhythmisch zerschnitten, zersetzt von Wiederholungen und medialen Versatzstücken.
Die Wirklichkeit erscheint nicht als kohärent erfahrbares Ganzes, sondern als flirrendes Nebeneinander von Informationen, Bildern und Geräuschen - eine urbane Totalerfahrung, die das Subjekt permanent überfordert. In dieser Überforderung verliert Sprache ihre Funktion als Stabilisator. Sie wird zum Resonanzraum für mediale Störungen, zur Fläche für akustische, visuelle und körperliche Einschreibungen, die nicht mehr zu einer zentralen, sprechenden Instanz zurückgeführt werden können.
Das Subjekt ist kein souveräner Beobachter mehr, sondern ein brüchig-durchlässiger Filter, durch den Sprache, Bilder, Objekte und Geräusche fließen.
„Ich schreibe dies mit einem Kuli, es ist 17.24 Uhr, und der Fernseher läuft. In Rom. Ich bin allein. Das Auto einer Putzfrau parkt draußen.“
Zwei Tage später:
„Ich bin nicht allein, der Fernseher spricht. Es ist 17.24 Uhr, glaube ich.“ (Rom, Blicke)
In solchen Sätzen zeigt sich exemplarisch Brinkmanns Poetik der Zerstreuung. Das Ich wird in der Simultaneität von Zeitmarken, Alltagsbanalitäten und medialem Hintergrundrauschen aufgelöst. Nicht mehr das Ich spricht, sondern die Medien sprechen durch das Ich. Die Wiederholung der Uhrzeit signalisiert eine Auflösung. Z
Brinkmann entlarvt die Vorstellung einer in der Sprache auffindbaren Wahrheit als Fiktion. Stattdessen wird Sprache zur Fläche medialer Reizübertragung, in der sich das Subjekt selbst nur noch als Spur, als Störung im Strom, wiederfindet.
Smash the control machine
Die Autoren stellen nicht einfach die Kohärenz einer ursprünglich vorhandenen sprachlichen Wahrheit infrage, sondern führen vor, dass diese Kohärenz immer schon eine kulturell erzeugte Illusion war. Sprache ist nie neutral oder transparent, sondern ein komplexes System, das Macht, Kontrolle und Identität produziert.
Burroughs, Ploog und Brinkmann dekodieren die Idee des rationalen, wahren Wortes - und zeigen die Sprache als Medium der Macht, als Virus, Interface oder Filter. Ihre Schreibweisen sind Versuche, die Sprache und damit das Subjekt in einem neuen Licht zu sehen: nicht als Ursprung von Wahrheit, sondern als Ort der permanenten Dekonstruktion und Neuverhandlung. Die Texte leisten einen radikalen Beitrag zur Sprachkritik, indem sie die klassische Vorstellung von Sprache als Medium der Wahrheit und des Subjekts dekonstruieren. Sie zeigen, dass Sprache immer schon durch Macht- und Kontrollmechanismen strukturiert ist und das Subjekt nicht außerhalb, sondern inmitten dieser Strukturen existiert.
Sprache ist kein Werkzeug des authentischen Selbst, sondern ein System, das das Selbst mitprägt, kontrolliert und zugleich destabilisiert. Indem die Autoren diese Bedingungen sichtbar machen, eröffnen sie neue Perspektiven auf Subjektivität, Wahrheit und literarische Praxis.