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2025-12-29 10:41:13, Jamal

Luxusnomaden

Ålesund, eine malerische Stadt an der Westküste Norwegens in der Region Møre og Romsdal, ist nicht nur für ihre einzigartige Jugendstil-Architektur bekannt, sondern auch für ihre außergewöhnliche geografische Lage. Die Stadt erstreckt sich über mehrere Inseln - darunter Aspøya, Hessa und Nørvøya - die in einem phantastischen Brücken- und Tunnelsystem verbunden sind. Die Lage zwischen Fjorden und den Sunnmøre-Alpen verleiht Ålesund eine magische Aura.

Touristen kommen zum Wandern, Kajakfahren und Skifahren. Seit zwanzig Jahren ist Ålesund zudem ein Hotspot des digitalen Nomadentums. Norwegen ist für seine hohe Breitbandverfügbarkeit bekannt. Mit rund 50.000 Einwohnern bietet Ålesund alle notwendigen urbanen Dienstleistungen, bleibt aber überschaubar und punktet mit Kleinstadtflair. Ein Flughafen gewährleistet internationale Anbindung. Hohe Lebenshaltungskosten wirken selektiv. Die Stadt zieht ein wohlhabendes Publikum an, das einen subtilen Snobismus kultiviert. Man trifft und erkennt sich in einem Refugium überlegener Lebensart. Der Luxusnomade schätzt einen Mix aus Outdoor-Autonomie und Place-to-Be-Distinktion. Wild Outside, Refined Inside. Morgens eine Kajaktour durch die Fjorde, nachmittags einen Flat White mit Blick auf die Berge, die Maui Jim Sonnenbrille auf der Stirn, den MacBook Pro auf dem Schoß. Und später noch ein Pitch in einer materialehrlich umgebauten Werkhalle eines in der Windjammerära florierenden Handwerksbetriebs.

Die Szene gibt sich moralisch anspruchsvoll. Regional, Bio, Zero Waste. Nachhaltigkeit als Statussymbol. Mit gutem Gewissen genießen. Ålesund ist ein Mikrokosmos des globalen Nordens, der von allen weltweit verfügbaren Ressourcen profitiert. Wir passten in dieses Habitat, waren wir doch auch nur bigotte Globetrotter, süchtig nach dem Junkfood der vermeintlichen Einmaligkeit. In einer Gegend, wo sich Fuchs und Hase Gutenacht sagen, tat ich so, als könnte ich freihändig die Welt bewegen - obwohl meine Welt oft herrlich still blieb. Ich zeigte Karten, nannte Zahlen. Aber ich wusste, meine magische Wirkung kam aus dem unsichtbaren Part der Kollaboration mit dir. Das Magische war, dass wir gemeinsam stundenlang durch die Natur stapfen konnten, ohne den Zugang zu geldwerten Kontakten zu verlieren. 

Ich war eingetunt auf dich. Du hattest dich in eine Ecke verzogen. Scheinbar vertieft in etwas Eigenes. Doch riss der Kontaktfaden in keinem Augenblick. Jeder Blick war eine Liebeserklärung. Du warst mein Resonanzkörper.  

Ein Ethnobiologe aus Vancouver stellte mir Fragen, klug, wohlwollend, mit überbordendem Interesse. Ich war höflich, hell, verbindlich. Er schaute mich an, als wollte er mich gleich zum Kaffee einladen.

Innerlich lachte ich. Denn was er sah, war eine Oberfläche. Eine Schnittstelle, die ich beherrschte.