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2018-06-14 23:35:12, Jamal Tuschick

Mariam Dessaive - Der prototypische Mensch

In Mozarts Zauberflöte, 1791 in Wien uraufgeführt und mittlerweile eine der weltweit bekanntesten Opern, geht es um die Paarungsgeschichten zweier heterosexueller Männer, eines Herrn und eines Knechts.

Der Herr ist der prototypische Mensch, beim Knecht ist noch ungewiss, ob er sich als Mensch sehen darf. Verhandelt wird, welche Bedingungen die beiden erfüllen müssen, um Liebe zu verdienen, sich zu verheiraten, Kinder zu zeugen. Dafür müssen sie Prüfungen sie bestehen, die sie als würdige Männer ausweisen, Männer, die gehorchen und entsagen können, die sich im Griff haben. Damit das Lehrstück richtig deutlich wird, gibt es auch einen ausgeschlossenen Dritten: Der schwarze Monostatos.

Man nennt mich Prinz, sagt Tamino, ein Muster von Mensch ist er, und die Damen der Königin der Nacht verlieben sich noch in der ersten Szene in ihn. Ist der Vogelmensch Papageno ein richtiger Mensch, trotz seiner Vogelähnlichkeit? Papageno beharrt energisch darauf, erschrickt aber seinerseits vor dem schwarzen Monostatos. Ist das ein Mensch? Das ist der Teufel sicherlich! Papageno erinnert sich dann aber: Es gibt ja auch schwarze Vögel.

Schwarz ist hässlich, weiß ist schön, weiß Mohr Monostatos. Er versucht trotzdem, sich an Prinzessin Pamina heranzumachen: Bin ich nicht auch von Fleisch und Blut? Er geht "unbeherrscht" und "unzivilisiert" vor im Versuch, seine Liebessehnsucht zu stillen: Er ist ein kolonialer Wilder, dem nicht zusteht, was für Prinz Tamino und mit etwas Nachhilfe auch für Papageno ein legitimes Begehren ist. König Sarastro bestraft Monostatos und stellt ihn obendrein in den moralischen Senkel: Seine Seele sei ebenso schwarz wie sein Gesicht.

Für die beiden Menschen geht die Geschichte derweil ihren gewöhnlichen Gang: Nach vielen reizvollen Irrungen und Wirrungen bekommt Prinz Tamino seine Pamina, Papageno bekommt seine Papagena, die beiden letzteren träumen auch sofort von ihren vielen Kinderlein. Mohr Monostatos aber geht leer aus und wechselt zur Partei der Königin der Nacht, der Mutter von Pamina und Gegenspielerin von König Sarastro. Hilft aber auch nicht, denn König Sarastro ist mächtig. Er unterwirft die Königin mitsamt dem Mohr Monostatos: Parallelität der Ausgrenzung von Frauen als andere mitsamt allen anderen Anderen im längst nicht überwundenen Patriarchat.

Aufklärung, Demokratie, Menschenrechte für alle? Es fällt auf, dass die Karten im Nu verkauft sind, wenn die Zauberflöte läuft, und der Olymp des Opernhauses ist regelmäßig voller Jugendlicher, ganze Klassen von kichernden Halbwüchsigen, die Jungs in schlecht sitzenden Anzügen, die Mädels in halsbrecherischen High Heels, einige mit Kopftuch, und alle sowas von aufgeregt! Was bleibt bei ihnen wohl hängen, außer der wunderbaren Musik von Mozart, den bunten Bühnenbildern und dem Live-Erlebnis eines Opernbesuches? Bei den Mädchen, den farbigen Kids, bei denen, die nicht hetereonormal sein wollen oder können? Haben die, die irgendwie anders sind, ein Monostatos-Erlebnis? Soll das so sein?