Christopher Wylie erklärt, wie Facebook-Daten mit Hilfe von "Cambridge Analytica" zu Waffen gemacht wurden; wie Data Mining funktioniert und wie viel psychologische Manipulation hinter der Wahl von Trump und dem Brexit-Referendum steckte. Er erläutert das schwer begreifliche Zusammenspiel von Facebook, WikiLeaks, russischen Geheimdiensten und internationalen Hackern.
„Ich erzählte der ganzen Welt meine Geschichte und war auf den Bildschirmen allgegenwärtig.“
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Identität ist eine Ware jetzt auch im digitalen Datenhandel. Christopher Wylie erzählt das so, als müssten wir uns ob dieser Kunde überschlagen. Wir tanzen nach der Algorithmen-Pfeife. Der Autor bezeichnet Silicon Valley als „Epizentrum einer Wahrnehmungskrise“. Als Greenhorn analysierte Wylie Obamas Wahlkampf. Der Herausforderer setzte auf Kanäle, die politisch so noch nie genutzt worden waren. Obama startete eine Graswurzler-Revolution, die eine Basis für basales Engagement schuf. Man konnte sich mit einer kleinen Sache ohne nennenswerte Reichweite einklinken und wurde zielgruppengerecht versorgt.
„Das Rückgrat der Kampagne waren Daten.“
Deren Bewertung bestimmte das Vorgehen. Man kaperte das reale Leben mit künstlicher Intelligenz.
Christopher Wylie, „Mindf*ck. Wie die Demokratie durch Social Media untergraben wird“, auf Deutsch von Gabriele Gockel, Claus Varrelmann, Bernhard Jendricke, Thomas Wollermann, Dumont, 416 Seiten, 24,-
Ich setze das in die Vergangenheit, obwohl das unsere Gegenwart ist und unsere Zukunft sein wird, weil Wylie so passioniert Past-Simple seine Zeit als Zauberlehrling und Assoziierter in einem Siegerteam abspult. Alle von jungen Leuten geschriebenen Biografien leiden darunter, dass sich jeder Dreißigjährige geradezu unsinnig alt vorkommt.
Obama ließ Daten sammeln; man hatte ihm erklärte, dass die Wählermobilisierung von der Datenmenge abhängt: eine Umschweifung der Behauptung, dass die richtige Datenverwaltung Demokraten aus dem Hut zauberte. Man kreierte die Botschaft für den Meinungsumschwung. Das Microtargeting der Obama-Gruppe trat die Privatisierung des öffentlichen Diskurses in den Vereinigten Staaten los. Nun wusste man, wie es geht.
Unser Wunsch nach Anerkennung ist ein Rohstoff der Datenindustrie. „Facebook ist das Tor zu den Köpfen der Amerikaner.“
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2011 bezieht der Kanadier Christopher Wylie eine Wohnung am Südufer der Themse. In England kultiviert er den Abstand zum politischen Tagesgeschäft in Ottawa. Er besucht Museen und studiert europäische Geschichte am Beispiel kapitaler Architektur. Es zieht ihn in den Hyde Park und in den Bauch von London: Borough Market.
Sozialer Sauerstoff
Vermutlich gibt es Donald Trump nur deshalb in der Präsidenten-Edition, weil er, wenn auch als Farce, eine Welt verkörpert, die von Tag zu Tag unwirklicher wird, ohne dass wir uns von ihr einfach so verabschieden könnten. Er ist so gruselig wie Camping an einem umgekippten See.
Wir brauchen aber den sozialen Sauerstoff von gestern. Wir sind noch nicht bereit für eine Zukunft, die uns längst hinter sich gelassen hat.
Trump beweist den Selbstbehauptungswillen eines Fossils. Solange es ihn gibt, gibt es uns. Er zwingt seine Umgebung dazu, sich von der Vorstellung zu emanzipieren, dass US-amerikanische Staatschefamt sei so verfasst, dass jeder Inhaber von staatstragenden Bindungen gehalten wird.
Während Trump wie der Elefant im Porzellanladen wirkt, vollzieht sich seit Jahren eine Verschiebung der Macht aus den Lagern der Legitimation in einen Untergrund, den wir nicht begreifen. Bereits im August 2014 verfügte das Datenanalyse-Unternehmen Cambridge Analytica über den Informationswert von mehr als 87 Millionen Facebook-Konten, um damit ohne Mandat und Aufsicht Geld & Politik zu machen.
Christopher Wylie, „Mindf*ck. Wie die Demokratie durch Social Media untergraben wird“, auf Deutsch von Gabriele Gockel, Claus Varrelmann, Bernhard Jendricke, Thomas Wollermann, Dumont, 416 Seiten, 24,-
Sein Coming-out als Whistleblower zog 2018 die aufwändigste Untersuchung von Datenkriminalität nach sich, die es bislang gab. Christopher Wylie zählt in „Mindf*ck“ involvierte Behörden auf. Dazu zählten der britische Inlandsgeheimdienst MI5 und das FBI. Der amerikanische Sonderbeauftragte Robert Mueller klagte dreizehn russische Staatsbürger an. Verschwörung lautete ein Vorwurf.
Wir erinnern uns an den Stunk im Weißen Haus. Trump überlebte den Vorwurf, via Landesverrat Präsident geworden zu sein.
Wylie erklärt, wie Facebook-Daten mit Hilfe von Cambridge Analytica zu Waffen gemacht wurden; wie Data Mining funktioniert und wie viel psychologische Manipulation hinter der Wahl von Trump und dem Brexit-Referendum steckte. Er erläutert das schwer begreifliche Zusammenspiel von Facebook, WikiLeaks, russischen Geheimdiensten und internationalen Hackern.
„Mindf*ck taucht tief in die amerikanische Operation** von Cambridge Analytica ein, die von Trumps Berater und Chefstratege Steve Bannon und dessen Alt-Right-Vision eines neuen Amerika gelenkt wurde. Finanziert wurde der Coup von dem Hedgefonds-Milliardär Robert Mercer.“
* „Als Blowback (englisch für Rückstoß) wird in der Fachsprache der Geheimdienste der unbeabsichtigte Effekt bezeichnet, bei dem inoffizielle außenpolitische Aktivitäten oder verdeckte Operationen später negativ auf deren Ursprungsland zurückfallen.“ Wikipedia
**„Der Kanadier und politisch liberale Christopher Wylie stand im Zentrum dieser Operation, er hat als Profiler daran gearbeitet zornige junge Männer zu manipulieren und zu mobilisieren. Erst vierundzwanzigjährig hatte er einen Job bei einer Londoner Firma angeboten bekommen, die mit dem britischen Verteidigungsministerium zusammenarbeitete. Angeblich waren sie mit dem Aufbau eines Teams von Datenwissenschaftlern beauftragt, um neue Strategien zur Identifizierung und Bekämpfung von radikalem Extremismus zu entwickeln. In kurzer Zeit wurden dieselben digitalen Werkzeuge für manipulative Zwecke eingesetzt, und Cambridge Analytica war geboren.“
Altruistische Agenda - Data Mining II.
„Die sanfte Bigotterie geringer Erwartungen.“ - George W. Bushs Redenschreiber Michael Gerson soufflierte seinem Chef die Formulierung zur Herabsetzung der Demokratischen Partei. Deren altruistische Agenda übertreibe die Fürsorglichkeit und leiste dem sozialen Versagen Vorschub.
Was zuvor geschah – Persephone hat eine Affäre mit dem Londoner Data-Miner Mick. Bei jeder Gelegenheit landet er in Rostock-Laage, wo ihn Persephone abholt. Im Augenblick befassen wir uns mit Micks Aufzeichnungen aus der Goldrausch-Ära der Social-Media-Wahlmanipulationen.
Ich assistierte beim ersten Obama-Wahlkampf. In New Orleans analysierte ich migrantisch geprägte Stadtteile. Viele PoCs erklärten, dass sie sich nur deshalb nicht für die Republikaner registrieren lassen würden, weil sie „echte Konservative“ seien. Ihr Standardspruch: Vielleicht trage ich einen Latino-Namen, aber ich bin Patriot im Geist der US-amerikanischen Verfassung.
Diese Leute warfen den Demokraten Arroganz vor. Den Vogel schoss eine zum Islam konvertierten Argentinierin ab. Sie trug einen Hidschab, während sie erläuterte, warum Obama für sie nicht in Frage kam.
Wir kaperten reale Existenzen mit künstlicher Intelligenz – der Kandidat ließ Daten sammeln; man hatte ihm erklärte, dass die Wählermobilisierung von der Datenmenge abhängt: eine Umschreibung der Behauptung, dass die richtige Datenverwaltung Demokraten erzeugen würde. Man kreierte die Botschaft für einen Meinungsumschwung. Das Micro-Targeting der Obama-Gruppe trat die Privatisierung des öffentlichen Diskurses in den Vereinigten Staaten los. Nun wusste man, wie es geht.
Unser Wunsch nach Anerkennung ist ein Rohstoff der Datenindustrie. Facebook zeigt den nackten Amerikaner als Hominide im digitalen Dschungel. Dann kam Trump. Während er wie der Elefant im Porzellanladen herumstümperte, vollzog sich eine Verschiebung der Macht aus den Lagern der Legitimation in den viralen Untergrund. Bereits im August 2014 verfügte meine Firma über den Informationswert von annähernd neunzig Millionen Facebook-Konten, um damit ohne Mandat und Aufsicht Geld & Politik zu machen. Datenkriminalität ließ sich kaum feststellen. Trump überlebte den Vorwurf, via Landesverrat Präsident geworden zu sein, vermutlich nur, weil die anglo-amerikanische Intelligence Community ein Blowback* vermeiden wollte.
*„Als Blowback (englisch für Rückstoß) wird in der Fachsprache der Geheimdienste der unbeabsichtigte Effekt bezeichnet, bei dem inoffizielle außenpolitische Aktivitäten oder verdeckte Operationen später negativ auf deren Ursprungsland zurückfallen.“ Wikipedia