In der Enge eines Lebens
Alexa Hennig von Lange erzählt in ihrem neuen Roman aus dem Leben einer Hauptdarstellerin und all den Regieanweisungen, die zu befolgen jene nicht umhinkommt. Die Autorin schildert das Verhältnis von staatlicher Macht und persönlicher Ohnmacht in der Enge eines Lebens.
Der schwarze Tod der Inquisition
Alexa Hennig von Lange erzählt in ihrem neuen Roman aus dem Leben einer Hauptdarstellerin und all den Regieanweisungen, die zu befolgen jene nicht umhinkommt. Die Autorin schildert das Verhältnis von staatlicher Macht und persönlicher Ohnmacht in der Enge eines Lebens. Alles geht von einem Punkt aus, der vor der Erzählung liegt: dem Sieg der Christenheit über die Mauren in Spanien. Mit dem Sieg verbindet sich das Jahrtausendverbrechen des Kolonialismus. Das vom Erfolg angefasste Power-Duo Isa & Ferdi expandiert gleich nach der Rückeroberung Andalusiens transatlantisch. Die Erkundung des Seewegs nach Indien konkurriert mit einem größeren Staatsziel – der Rückeroberung des Heiligen Landes. Für das Seelenheil eines Christen liegt in Westindien wenig und in Jerusalem viel. Die königlichen Hoheiten Isabella und Ferdinand haben den Ehrgeiz von Musterschülern. Sie wollen die besten katholischen Monarchen sein und folglich die Lieblingskönige des Papstes in seinem römischen Atrium des Himmelreichs.
Kolumbus verspricht seinen Herrschaften die Mittel für eine grandiose Himmelfahrt. Im Frühjahr 1495 passiert er den Drachenschlund vor Trinidad und stößt auf Inder, die nicht freundlich sind. Eine Streitmacht stellt sich der Expedition entgegen, auf einen Spanier kommen fünfhundert Bürger. Ein mitreisender Zeitgenosse erinnert sich: „Aber die Übermacht hielt den Geschützen, der Reiterei und der Bluthundestaffel nicht stand. Der Sieg des Kolumbus war leicht und vollkommen. Der Admiral brachte das harte Recht der Sieger über den Verlierern zur Geltung.”
Auch Johanna ist von Geburt an eine Besiegte. Die leibliche Existenz gehört der Dürftigkeit; das Übrige erschöpft sich in der Leuchtschildhaftigkeit eines Symbols. Spanien droht der schwarze Tod der Inquisition. Unter einem Leichentuch aus Verdächtigungen und Denunziationen stockt die Atmung des Gesellschaftskörpers. Seelische Hyperventilation zählt zu den Folgen der Erpressung.
Manchmal zwingen die Tröstungen der Natur Johannas Mutter einen kleinen „Schwächeanfall“ auf. Dann scheint es, „als könne Spanien kurz aufatmen“.
Krähenarmada
In der Aura einer Königstochter wird Spanien selbstverständlich zur Metapher für das persönliche Empfinden. Johanna bleibt sich selbst gegenüber blumig-verschwiegen. Das verlangt ihre Rolle.
Die geistlichen Intriganten umschwirren Johanna wie eine Krähenarmada.
Johanna von Kastilien ist ein dynastisches Premiumprodukt der größten Machtkonzentration, die auf Erden je zustande kam. Und was wiegen ihre Bedürfnisse? Nichts!