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2018-10-18 10:42:07, Jamal Tuschick

Ohne Zuwanderung geht bei uns nichts. Es wird Zeit, das anzuerkennen, schreibt Daniel Bax im FREITAG

Die Mutter aller Lösungen

Daniel Bax

Wenn es um Einwanderung geht, sind die Deutschen hin- und hergerissen. Einerseits wissen sie, dass sie Einwanderer brauchen. Als wirtschaftsstarkes Land in der Mitte Europas, aber mit einer alternden Bevölkerung, ist Deutschland auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen ... führt Daniel Bax im Freitag aus. Siehe Link.

Von Daniel Bax erschien zuletzt Die Volksverführer - Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.

„Deutschland ist mit der AfD in der Realität angekommen“, schreibt Daniel Bax in seiner Anleitung zum Verständnis des politischen Augenblicks „Die Volksverführer - Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind“.

Die ganze Welt tanzt nach den Pfeifen rechter Populisten den neovölkischen Pogo. Sollte Deutschland zur Beute der AfD werden, wird im Trivialmythos der Kampfzeiterzählung der kleine Mann als besorgter Bürger der Stimme seines Herzens bis zum Sieg der Vernunft gefolgt sein. Ich nehme den Text vorweg: Der Feind nannte populistisch, was wir legitim fanden – nämlich die Herrschaft im eigenen Land im Geist einer homogenen Gesellschaft.

Daniel Bax, „Die Volksverführer - Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind“, Westend Verlag, 288 Seiten, 20,-

Bax bemerkt, dass Alexander Gauland sich den Populismusvorwurf jederzeit gefallen lässt. Die AfD stellt sich als repräsentativ angestrichener Bürgerprotest dar – als parlamentarische Bewegung. Angeblich trägt die Partei im Bündnisstil jenes Plebiszit in den Bundestag, dass die Grundgesetzautor*innen aus der Verfassung heraushielten, nicht nur, weil Hitler legal an die Macht gekommen war.

Parasitäres Verhältnis zur Demokratie

Gauland will erklärtermaßen die Grenzen des Sagbaren erweitern und fremdenfeindliche Formulierungen etablieren. Ihm geht es darum, Sichtweisen strategisch zu verschieben und den politischen Diskurs zu verändern. Populisten sind Demagogen und an „der Lösung realer Probleme nicht interessiert“. Das erklärt alles. Das Phantasma der von Migration ungestörten, ethnisch-kulturell mäßig diversen Volksgenossenschaft dient der Entlastung im Zuge einer Abkehr von spannungsreich sich gegenseitig garantierender Koexistenz des Verschiedenen. Diese Bereitschaft zur Aushöhlung und Untergrabung des Demokratischen setzt ein parasitäres Verhältnis zur Demokratie voraus. Die Alternative für Deutschland ist autoritär. Autoritäre Strukturen bieten (vermeintlich) Sicherheit und erlösen die Bürger vom Druck ständiger Neuaushandlungen im Wettbewerb.

In attraktiven Einwanderungsgesellschaften ergibt sich eine starke soziale Dynamik aus Identitäten. Die Veränderungsgeschwindigkeit ihrer Verhältnisse erscheint den Migranten sowie den eingesessenen „Abgehängten“ schicksalhaft, den meisten Autochthonen aber nicht. Sie wissen, dass sich das Tempo zu ihren Gunsten regulieren lässt. An dieser Schraube drehen Populisten vor allem, indem sie sich da bedienen, wo „Besserverdienende und ein sozialdarwinistisch eingestelltes, verrohtes Bürgertum“ nach einem überlieferten Muster ihre Pfründe zu sichern versuchen. Das beschreibt Daniel Bax in seiner Anleitung zum Verständnis des politischen Augenblicks „Die Volks-Verführer“.

Die Führer der rechten Bewegungen in Europa gerieren sich als Zampanos der Vereinfachungen. Die populistischen Ablehnungsbescheide richten sich gegen Muslime, während Russlanddeutsche, so Bax, auf Russisch umworben werden. Ein rechtspopulistischer Kanon bestimmt die Talkshow Themen: Flüchtlinge, Islam, Terrorismus. Die Bildzeitung trägt das weiter auf dem Boulevard. So entsteht selbst in der Kritik eine Akzeptanz demokratiefeindlicher Kräfte, die ihre autoritäre Agenda mit dem Design pluraler Politik abdecken.

Die Medien „gehen der AfD oft auf den Leim - allein schon dadurch, dass sie ihrer Erzählung folgen, dass Migration, Integration und Flüchtlinge die Schicksalsfrage unserer Nation seien.“