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2021-04-20 05:35:52, Jamal Tuschick

© Jamal Tuschick

„Die ihr einen unersättlichen Geier nährt“

Auf den Stoppel- und Rieselfeldern geistiger Armut fährt der Dichter reiche Beobachtungsernten ein

Die Orgie als Quelle der Inspiration hat ausgedient. „Gesunde Ernährung ... ist das Einzige, was ... Schriftsteller benötigen.“
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„Ihr alle die ihr einen unersättlichen Geier nährt ... möge die Liebe euch ein Beruhigungsmittel sein.“

Baudelaire wähnt sich in einer Gesellschaft, „die Hinfälligkeit jeder Art schätzt“. Der Dichter erkennt in den Verhältnissen „ein großes System von Widersprüchen“, in dem die Eitelkeit vor den Spiegeln des Nichts triumphiert.

Auf den Stoppel- und Rieselfeldern geistiger Armut fährt Baudelaire reiche Beobachtungsernten ein.

Charles Baudelaire, „Wein und Haschisch“, Essays, aus dem Französischen von Melanie Walz, mit Nachwort von Tilman Krause, Manesse, 22.95 Euro

Die von Baudelaire ermahnten Leser:innen finden, so sagt es das Genie, irrtümlich die Zeit kostbar und die Natur grausam. Falsche Auffassungen grassieren im Dutzend billiger.
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Man muss schnell schreiben. Wie von einem fliehenden Pferd davongetragen, darf man selbst „bei der Geliebten“ die Verwertungskette nicht reißen lassen. Seufzt sie, treibt man die Regung in einem Roman auf die Spitze.
Von Überarbeitungen rät Baudelaire ab.
„Ich bin kein Befürworter von Korrekturen“, erklärt er, da sie Manuskripte in Unordnung brächten. Er schmäht Balzac, der sogar noch Druckfahnen „aufs Lächerlichste“ vollschmiere.
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Die Orgie als Quelle der Inspiration hat ausgedient. „Gesunde Ernährung ... ist das Einzige, was ... Schriftsteller benötigen.“
Aus der Vorschau
Ein Mensch, der nur Wasser trinkt, hat seinen Mitmenschen etwas zu verbergen.

Wer Charles Baudelaire ausschließlich als Verfasser der dunkel-brillanten Gedichte aus «Die Blumen des Bösen» kennt, lässt sich ein wahres Lesevergnügen entgehen. In seinen geist- und pointenreichen Essays vergleicht Baudelaire die unterschiedlichen – und nicht gleichermaßen empfehlenswerten – Wirkungen von Wein und Haschisch, gibt jungen Schriftstellerkollegen Tipps zum Umgang mit Gläubigern, schildert seine Begeisterung nach der ersten Aufführung einer Wagner-Oper in Paris oder erteilt Ratschläge, wie man das Glück in der Liebe finden kann. In dieser exklusiven Zusammenstellung in Neuübersetzung begegnet uns der feinsinnige Ästhet als ironischer Lebenskünstler, als hellsichtiger Literaturkritiker und als wortmächtiger Protagonist der Pariser Boheme.

Gebunden in dunkelroten Samt mit Glanzfolienprägung, ist der Band zudem ein bibliophiler Hingucker.

»Ein wunderbares Buch ... Baudelaire erzählt hier sehr geistreich von der Apologie des Weines, der Literatur, von dem Rausch, den wir durch die Musik erhalten können.«

Zum Autor

Charles Baudelaire (1821–1867) war Dandy, Ästhet und Inbegriff der Pariser Künstlerbohème. 1857 veröffentlichte er den Gedichtzyklus "Die Blumen des Bösen", der ihm eine Anklage wegen "Beleidigung der öffentlichen Moral" eintrug. Seinen Zeitgenossen war er vor allem als scharfsinniger Kunst- und Literaturkritiker bekannt.