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2021-07-17 04:26:15, Jamal Tuschick

Ursprungsmythos der eigenen Verzweiflung

„Jean Rhys befindet sich auf der Suche nach den Quellen ihres Qualnils, dem „Ursprungsmythos (der) eigenen Verzweiflung“.

„Sie schreibt über das Trinken mit der vergeblichen Genauigkeit eines Menschen, der es nie schafft, sich seiner vereinnahmenden Kraft zu entziehen.“

„Die wiederkehrende Heldin in den Rhys’schen Romanen ist eine betrunkene Frau, die ein großes Gewese um ihre Tränen macht.“ Leslie Jamison

Sargasso Sea © Jamal Tuschick

Exemplarische Existenz

Wide Sargasso Sea by Jean Rhys | Postcolonialism | Caribbean Writers

Eingebetteter Medieninhalt

Leslie Jamison vermisst den Abstand zwischen alkoholkranken Schriftstellerinnen und alkoholkranken Schriftstellern; siehe Sozialer Übersetzungsfehler. Sie folgt den Linien einer exemplarischen Existenz. Die im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts auf Dominica geborene Ella Gwendolen Rees Williams aka Jean Rhys zählte als Tochter einer karibischen PoC und eines Walisers zu den Akteuren kolonialer Nebendramen. Sie genoss weiße Privilegien, ohne eine Weiße zu sein. Sie war britisch unter den Vorzeichen von There Ain't No Black in the Union Jack. Sie war eine Begünstigte unter Benachteiligten, ausgeschlossen von jedweder ethnisch-sozialer Solidarität. In ihrer Jugend geriet Jean Rhys nach England und an den Rand der Armut. Sie schlug sich als Aktmodell und Revuetänzerin durch. Sie heiratete den ersten einer Reihe krimineller Männer. Sie wurde süchtig und fing an zu schreiben.

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Ihrem ersten Gatten begegnete Jean Rhys 1917. In der konkreten Nachkriegszeit spekulierte der Blender & Verschwender als Sekretär einer alliierten Delegation in Paris mit Deputatsmitteln. Das zog eine Sanktionskette nach sich, von der Verhaftung, über die Verurteilung und Verbüßung bis zur Ausweisung.

Im Referatspräsens

In der Zwischenzeit geschieht Grauenhaftes.

Leslie Jamison beschreibt eine katastrophale Kaskade von der Verkühlung eines Säuglings bis zu dessen Krankenhaustod. Während Jean Rhys' Sohn stirbt, trinkt die Mutter mit ihrem Mann Champagner.

Leslie Jamison, „Die Klarheit. Alkohol, Rausch und die Geschichten der Genesung“, aus dem Englischen von Kirsten Riesselmann, Suhrkamp, 18.-

„William kam ins Hospice des Enfants Assistés, und als ihr das Krankenhaus ein paar Tage später mitteilte, er habe eine schwere Lungenentzündung, bekam sie Angst, weil er nicht getauft war.“

Jean Rhys trinkt gegen die Angst.

„'Bis wir die erste Flasche geleert hatten ... hatte ich meinen Kummer vergessen. Wir lachten alle.' Am nächsten Morgen rief das Krankenhaus an: 'Ihr Sohn sei am Vorabend gestorben.'“

*

Die Schriftstellerin wird den Rausch nie feiern. Auch so unterscheidet sie sich von Männern, mit denen sie das Schicksal des Schreibens und des Trinkens teilt. Das belegt Leslie Jamison gründlich. Die Chronistin bestimmt „den Preis des Trinkens: Die Welt wird klein, der Geist wird schwach.“