„Ich habe keine Lust, über das Wesentliche zu reden.“ Laure in einem Brief an Bataille
„Es gab diese Waschfrauen, die ich glücklich glaubte, ihre Hände in die Seine zu tauchen.“
Ein Kind, nachtwandelnd im „langen weißen Hemd“, kniet endlich vor den Devotionalien des Stubenschreins. Es „murmelt“ hin zur Jungfrau Maria jene formelhaften Schuldbekenntnisse, die ein erpresserischer Gott fordert. Nicht versteht es den Nutzen der Aufzählung, da Gott „alles sieht und alle Gedanken kennt.“
Das Kind fühlt sich aufgeschmissen und ausgeliefert. Es fürchtet nicht nur Gott, sondern auch Gespenster. Lauter Bedrückungen machen sein Schafzimmer zur Schreckenskammer.
Laure, „Schriften“, herausgegeben von Bernd Mattheus, Matthes & Seitz
Es empfängt Nachrichten aus der Hölle; es befleißigt sich einer surrealistischen Suada, die ihre Herkunft nicht verleugnen kann. Colette Peignot schreibt nach der Mode ihrer Zeit im Traumtagebuchstil; wobei die Träume gestaltet sind. Gestaltete Träume erzählen zutiefst von sozialer Ohnmacht.
Die Autorin ermächtigt sich in den Dimensionen eines Nähkästchens.
„Colette Peignot (1903 - 1938) war eine französische Schriftstellerin. Sie veröffentlichte überwiegend unter dem Pseudonym Laure ... die meisten (ihrer Werke) wurde(n) ... postum veröffentlicht.“ Wikipedia
Kartenhäuser aus Beton
Ein Hirsch verirrt sich am Horizont. Ein erzählendes Ich taucht auf.
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Paris erscheint als Menagerie des Absonderlichen. Zum Ausgleich gibt es die Provinz. Sie bietet bizarren Schäfer:innenstücken Schauplätze. Die Erzählerin lernt „alle Arten von Schilf zu unterscheiden“. Sie sammelt aus dem Nest gefallene Waldkäuze ein. Sie verliert sich in Anverwandlungsräuschen. Sie imaginiert sich als Spinne aus der Ordnung der Weberknechte, daheim zwischen einer Bruchsteinmauer und Efeu.
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Laure musste sich nicht an den Gedanken gewöhnen, alt zu sein.
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Die Erzählerin schämt sich auf einer Beerdigung wegen ihrer trockenen Augen. Sie exaltiert sich in einer kotseligen Anrufung: „Ich grüße dich! Maria, Scheiße, Gott“. Ein Abbé, mit der Macht eines „schäbigen Rasputins“, zieht ihre Schwester in Ecken. Ohne Lust und Ekel lässt jene alles Mögliche geschehen.
Die Erzählerin wendet sich erst von der Religion und dann von der Musik ab. Sie bemerkt viel abgestandenes Kunstgewerbe und aufgesetzten Somnambulismus auch bei sich selbst. Einen Hut schmückt sie mit einer Feder. Sie prüft den Effekt in der Gesellschaft eines Priesters. Die Begegnung beschäftigt sie weniger als die Einsicht in eine verfehlte Wirkung des Schmucks.
„Ich ging wieder in mein Zimmer, wo es meine erste Sorge war, die Feder abzutrennen.“