„Sie hassen das Vergnügen der anderen.“
Mit diesem Vorwurf sieht sich die Couturière Clelia konfrontiert. Sie spielt die Hauptrolle in „Die einsamen Frauen“. Ich habe den 1949 erstmals erschienenen Roman in beinah jedem Lebensjahrzehnt wenigstens einmal gelesen. Eine stabile Düsternis zeichnet das Werk aus. Ich denke heute nicht anders darüber als vor vierzig Jahren. Das ist italienischer Existenzialismus, Neo-Realismus und film noir in Worten.
Die in Rom berühmt gewordene Clelia kehrt „wie die Seiltänzer und Nougat-Verkäufer beim letzten Januarschnee“ in ihre Heimatstadt Turin zurück. Sie steigt beinah anonym in einem Hotel ab, um da erst einmal ein Bad zu nehmen. In der Wanne erinnert sie das Schlusspunktereignis ihrer seelischen Unschuld. Es verbindet sich mit jährlich wiederkehrenden Aufregungen. Karneval bedeutete für das Kind Clelia solange Karussel, Nougat und Pappnasen, bis der Vater an einem giovedì grasso tödlich zusammenklappte. Die Tochter brach in Tränen aus, nicht aufgelöst vom Schmerz, sondern von Wut, ja Hass aus der Fassung gedreht.
„Ich hasste ihn in Gedanken an das Fest, das mir nun verloren ging.“
Die Mutter durchschaute den wahren Grund des Notstands. Sie reagierte kühl. Erst diese subversive Kritik ließ Clelia die eigene Schäbigkeit erkennen, die sie auch als Warnung vor der Schäbigkeit der anderen im Gedächtnis behielt.
Am Tag der Ankunft in ihrer Heimatstadt erfüllt sich Clelias Wunsch, fast ungestört ein Bad zu nehmen. Die Heimkehr vollzieht sich in der konkreten Nachkriegszeit. Der geringste Komfort entbehrt Selbstverständlichkeit. In der Wanne erinnert die Haute Couture-Macherin einen Aufenthalt in Turin kurz nach einem Angriff: „Die Leitungen waren gesprengt, keine Rede von Bad.“
„Die piemontesische Hauptstadt gehörte zu den am heftigsten bombardierten Städten in Norditalien.“ Quelle
Im kläglichen Luxus erkennt Clelia einen Grund, das Leben lohnend zu finden.
Sie möchte niemanden sehen und wundert sich doch, dass keine Blumen abgegeben wurden. Clelia registriert eine leichte Bewölkung am Stimmungshimmel, da niemand die Riegel der von ihr verordneten Diskretion aufschob, um als penetranter Verehrer die Bedeutung der Glamourösen herauszustreichen.
Cesare Pavese, „Die einsamen Frauen“, aus dem Italienischen von Catharina Gelpke, S. Fischer Verlag
So beginnt ein 1949 erstmals erschienener Roman, den ich in beinah jedem Lebensjahrzehnt wenigstens einmal gelesen habe. Eine stabile Düsternis zeichnet das Werk aus. Ich denke heute nicht anders darüber als vor vierzig Jahren. Das ist italienischer Existenzialismus, Neo-Realismus und film noir in Worten.