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2021-11-07 06:06:12, Jamal Tuschick

Ohrwürmer von Benny Goodman

“Security will not exist if our nation’s women to not know how to fight.” David Ben-Gurion

Eingebetteter Medieninhalt

Stunden vor dem Erlöschen des Großbritannien vom Völkerbund übertragenen Mandats für Palästina am 14. Mai 1948 traf ich Alan Cunningham im King David Hotel, wo die britische Administration untergebracht war. Ich wunderte mich über die Ruhe im Haus. Es herrschte keine Auf- oder besser Abbruchstimmung. Jemand spielte Ohrwürmer von Benny Goodman auf einem Klavier. Ich registrierte ein Gefühlsklima zwischen Erleichterung, Anspannung und diesem routinierten Geklapper entkernter Männer, die alle nicht wussten, wie kaputt sie waren. Man hielt Krieg für eine normale Sache, so war man erzogen worden. Man diente seinem Land. Das gehörte zur Familientradition.

© Jamal Tuschick

The Birth of a Nation

Sam Houston verglich die Aussichten seiner Miliz in den Jahren der Texas Revolution von 1835/36 mit einem Schneeball in der Hölle.

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Dies ist der Tag und dies ist die Stunde. Mit diesen Worten rief Samuel Rutherford Houston (1793 – 1863) Texas zu den Waffen. Daran musste ich denken, als ich Alan Cunningham im King David Hotel begegnete.

Dies ist der Tag und dies ist die Stunde.

Das sagte ich dann auch zu dem britischen Haudegen. Cunningham hatte überall auf der Welt für sein abgerocktes Empire gefochten. Er war müde, während ich vor Tatendrang vibrierte.

Das hier ist Israel

Israel (Palästina) war für diese Leute ein Albtraum, in dem Terroristen mit seltsamen Namen die Hauptrollen spielten. Gekommen waren die Briten mit der Idee, dass man den Zionisten helfen müsse, weil sie die Zivilisation in die Welt trugen, geblieben waren sie mit zusammengebissenen Zähnen. Nun würden sie mit einem Groll in ihren Herzen gehen. Ihre Mission war gescheitert.

„Den Letzten beißen die Hunde“, sagte Alan. Er kam aus einer Familie, die in Irland schottisch geblieben war, und hatte schon den ersten Weltkrieg mitgemacht. Alan bot ein Muster für vielseitige Verwendung, aber ich will Sie nicht langweilen mit diesem seriellen und blassen Organisations- und Verwaltungsgeschick einer Generation, die vom 19. Jahrhundert geprägt worden war und in der Gegenwart von Achtundvierzig nur noch Haltung beweisen konnte, nach einem Marathon der Überforderungen. Das waren Zombie-Apparatschiks, lebende Tote, aber kerzengerade.

Alan bebte für die Krone – das Empire – für eine Idee von Größe. Als militärischer Oberbefehlshaber in Nordirland hatte er seine Loyalität bewiesen. Er war nun seit drei Jahren Großbritanniens letzter Mann auf der israelischen Bildfläche.

Wir stießen auf seinen unglücklichen König Georg an, der gewaltige Gebietsverluste unterschreiben musste.

Ich sagte: „Bald seid ihr in England wieder unter euch und könnt nach einer neuen Armada Ausschau halten. Ich schätze, Europa hat sich im Ganzen erledigt. Jetzt kommt Afrika.“

„Afrika hat keine Zukunft und das hier“, Alan machte eine ausladende Bewegung, „ist Afrika.“

Da war er wieder, der weiße Blick auf die Welt. Alan hatte im zweiten Weltkrieg mehr PoC kommandiert als Weiße. Er hatte in Burma die japanische Invasion erlebt. Er sah so aus, als hätte er Sehnsucht danach, allein im Büro zu sitzen und Bleistifte zu spitzen. Er sah erledigt aus. Gewiss hatte er es am Magen.

„Das hier ist Israel“, sagte ich. „Das haben wir der Welt erklärt.“

Ich war gekommen, um die Übergabe der sogenannten Palästinaverwaltung zu überwachen. Offiziell war kein Jude zum Farewell geladen, auch kein Araber. Ich war trotzdem da, mit Knarre. Ich will nicht lügen und sagen, dass mir Alan zuwider war; ich empfand widerwillig Achtung. Er hatte in Afrika den Lateinschüler Rommel in den Arsch getreten. Er war wirklich überall gewesen.

Wir tranken noch einen, ich fuhr meine Beine aus, wir (in einer anderen Konstellation) waren jetzt die Herren im Haus und wir würden uns nie mehr ducken. Ein Aktenfuchs der UNO kreuzte mit Entourage auf, Alan machte es kurz, dann war die Verwaltung eine Angelegenheit der Vereinten Nationen. Als wir vor die Hoteltür traten, wurde der Union Jack vom Mast gezogen und eingepackt. Ein paar Dudelsackpfeifer spielten auf. Man zog das Rote Kreuz hoch. Das war eine Farce, aber wir waren daran gewöhnt, die anderen Symbolpolitik machen zu lassen, solange sie es dabei beließen. In der Nähe fielen Schüsse.

Alan stieg in eine Limousine, er wollte von Kalandia nach Haifa fliegen und sich da einschiffen. Ich wusste, gleich würde es fürchterlich krachen. Uns erwartete ein Dreifrontenkrieg.