Colson Whiteheads Porträts zeigen einen Meister der subversiven Genauigkeit. Das kaptivierende Potential seiner Prosa offenbart sich auch in der Schilderung eines besonders verwegenen Gangsters, der als Pepper in der Unterwelt von Harlem kursiert. Pepper verschleiert sich. Er trägt eine Burka aus lauter falschen Angaben. Ihn sehen und ihn erkennen läuft als prozessuales Geschehen auf zwei verschiedenen Kontinenten ab.
Colson Whitehead, „Harlem Shuffle“, Roman, übersetzt aus dem Englischen von Nikolaus Stingl, Hanser, 25,-
Der Autor vergleicht Pepper mit invasivem Unkraut, das „in einer Ritze Halt gefunden hat“. Er markiert ihn als ruralen „Fremdkörper“ in der Stadt. Whitehead beschreibt ein Anpassungswunder. Doch zeigt Pepper nicht die leiseste Neigung zu fraternisieren. Er huldigt dem Schein. Sich selbst bewahrt er wie in einer unsichtbaren Raumkapsel. Deshalb wirkt seine Handfestigkeit so überraschend, obwohl er doch nichts anderes als ländliche Stämmigkeit verkörpert.
Während andere das Genre des urban-parfümierten Banditen-Beau variieren, spielt Pepper den im Stallheu nächtigenden Fuhrwerker. Er ist beides: der Mann fürs Grobe und das Colthirn. So überqualifiziert nimmt er an einem Raub von epischer Dreistigkeit teil. Das Verbrechen bringt neue Farben in die Harlemer Mythen und Gesänge.
The Rolling Stones - Harlem Shuffle
Ray Carney zählt nicht zu den großen Leuchten seines Milieus. Er übersteigt nie ein Niveau, das sein Schöpfer Colson Whitehead so ausschildert: „Harlem ... ist einfach nur ein weiterer Ort, wo Leute leben, ihre kleinen Träume verfolgen, sich anstrengen, scheitern, sich gegenseitig mies behandeln und dann sterben.“
Ja, Carney kennt sich aus mit dem Herumgestoßenwerden. Er wundert sich, wenn ihn jemand Mister nennt. Nach seinen Wünschen gefragt zu werden, löst bei Carney basales Erstaunen aus. Seine Kalenderspruchweisheiten rahmt ein Trauerrand. Ihm fehlt der Optimismus der Einwanderer, deren Ambitionen im Augenblick des Romangeschehens mit dem „Elektronikboom“ flirten.
Carney verscherbelt Radios und Fernseher, ohne einen blassen Technikschimmer. Für seine Schwiegereltern ist er „dieser Teppichhändler“. Seine Frau Elisabeth hat sich mit ihm „zufriedengegeben“.
Aus der Ankündigung
Harlem in den 1960er Jahren: die Geschichte eines einfachen Mannes, der so ehrlich wie möglich versucht aufzusteigen. Der neue Roman des zweifachen Pulitzerpreisträgers und Bestsellerautors Colson Whitehead
Ray Carney würde am liebsten ohne Betrügereien auskommen, doch die Einkünfte aus seinem Laden reichen nicht aus für den Standard, den die Schwiegereltern erwarten. Cousin Freddy bringt gelegentlich eine Goldkette vorbei, die Ray bei einem Juwelier versetzt. Doch was tun mit dem Raubgut aus dem Coup im legendären „Hotel Theresa“ im Herzen Harlems, nachdem Freddy sich verdünnisiert hat? Als Polizei und Gangster Ray in seinem Laden aufsuchen, steht sein waghalsiges Doppelleben auf der Kippe. Der mitreißende Roman des zweifachen Pulitzer-Preisträgers Colson Whitehead ist Familiensaga, Soziographie und Ganovenstück, vor allem aber eine Liebeserklärung an New Yorks berühmtestes Viertel.