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Zuerst verbindet sie nichts außer der plumpen Tatsache, die Neuen in einer Klasse zu sein. Iga Sulkowska und Ras-Putin Gerasimowitsch Bogdanow bilden eine Antipoden-Konstellation. Sie ist schnell, souverän und gradlinig, er ist langsam, wehleidig und labyrinthisch.
Kaśka Bryla, „Die Eistaucher“, Roman, Residenz Verlag, 24,-
Im Plural einer vorausgeahnten, behutsam vorformulierten Seelenverwandtschaft werden Iga und Ras zügig Verschworene auf Probe. Iga überflügelt die Kohorte. Eine mathematische Begabung hebt sie über die Genres der Dutzendbegabungen. Ihre Leidenschaft gehört einem zeitreisefähigen Loaded Dervish Sama Longboard und der Französischlehrerin Franziska.
Ras sieht zu Iga auf. Ihre Domänen sind spektakulär, seine seltsam. Der Nachhinkende entstammt dem Clash zwischen einer musischen Mutter und einem stierhaften Tatmenschen. Ras sammelt Zeug, um es zu archivieren. Die Fundsachen registriert er; seinen Listen eine groteske Aufmerksamkeit schenkend. Er blüht auf als Bedarfs- und Gebrauchsdichter. Seiner Schulfreundin Jessica, kurz Jess, liefert er Liebeslyrik auf einem Sockel erotischer Ahnungslosigkeit. Zum ersten Mal bezaubert er, wenn auch in fremdem Namen.
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Zwei Vergleiche, eine Differenz. Jemand vergleicht Iga mit einer Wölfin, die im Vorüberstreifen mehr Beute reißt als sie fressen kann. Die Schussfestigkeit von Schäferhunden im Krieg führt Rasputins raumgreifender Vater an, um dem Sohn in einem indirekten Vergleich auf dessen Schwäche hinzuweisen. Wer nicht, der nicht. Wer nicht schussfest ist, so „wie ein Schäferhund im Krieg“, wird „aussortiert“.
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Kaśka Bryla erzählt in Rückblenden. In der Handlungsgegenwart wissen die Held:innen, was sie aneinander haben und warum gegensätzliche Temperamente freundschaftlich-kontinuierliche Haftung nicht ausschließen. Ein tödliches Geheimnis schweißt Iga, Jess, Ras und Saša zusammen. Im Akut des Geschehens fungiert Saša als Ich-Erzähler. Er bewirtschaftet einen Campingplatz. Das Camp beschreibt er als letzten Vorposten einer ernstzunehmenden, sich zunehmend verdüsternden Wildnis mit Bären und Wölfen. Die Szenen ziehen ihr Kolorit aus Stimmungen eines surrealen Saisonendes. Der Urwald rückt auf. Der zivilisatorische Firnis splittert.
In seinem Revier findet Saša rätselhafte Kadaverensemble. Seine Wirkungsstätte liefert dem Freund:innenkreis - den „Eistauchern“ - einen Fixpunkt. Einmal im Jahr kommen alle zusammen.
Gemeinsam übten sie einst Selbstjustiz. Im Jahr des Roman-Jetzt taucht ein Martin auf, der Bescheid zu wissen scheint.
Aus der Ankündigung
Kaśka Brylas manischer Realismus zieht uns in seinen Bann. „Die Eistaucher“ ist ein hochaktueller und schmerzhaft intensiver Roman.
Iga, die Skaterin, die schöne Jess und der pummelige Ras sind Außenseiter*innen in ihrer Schulklasse, doch gemeinsam bilden sie eine verschworene Gruppe, die unzertrennlichen „Eistaucher“. Als die Jugendlichen eines Nachts Zeugen eines brutalen polizeilichen Übergriffs werden und diese Schandtat folgenlos bleibt, beschließen sie, das Recht selbst in die Hand zu nehmen. Zwanzig Jahre später taucht ein geheimnisvoller Fremder auf, der von der damaligen Rache zu wissen scheint und das prekäre Gleichgewicht gefährdet… Gekonnt verwebt Kaśka Bryla eine packende Story über die Ursachen von Radikalisierung mit einem Plädoyer für Solidarität und Liebe. Dieser Roman ist nichts für schwache Nerven und alles für brennende Herzen!