Der Autor variiert einen Höhepunkt der Renaissance. Gary Shteyngart bezieht sich auf die Novellensammlung „Decamerone“. Giovanni Boccaccio erklärte ein Landhaus (das noch steht) vor Florenz zum Schauplatz einer Begegnung Heimgesuchter anno 1348. Sieben Frauen und drei Männer sind vor der Pest in die toskanischen Highlands geflüchtet. Angehoben von Sommerfrische-Empfindungen und gedämpft von Angst stellen sie die Gegenwärtigkeit eines schrecklichen Todes in den Glanzschatten der Erzählkunst.
Begraben auf der falschen Seite der Geschichte
Dee Cameron erscheint, wie vom Zauberstab einer guten Fee berührt. Mit ihr endet eine transgenerationale Talfahrt. In einem Aufsatz, der das abgeflaute Interesse an ihrem hochgejazzten Romandebüt dosiert provokativ wieder anheizen sollte, zählte Dee jene aus North und South Carolina stammenden Versager auf, denen sie nachkommt. Stichworte des Desasters: White Trash. Trailer Park. Rednecks & Hillbillys.
„Mit Schimpf und Schande aus Fort Bragg verjagter Gefreiter … Rassistische Cops.“
Dee holte ihre Vorfahren dramaturgisch geschickt und vielleicht sogar im Geist eines reaktionären Modernismus als „meine Leute“ ins biografische Boot. Nach der Ermordung von George Floyd am 25. Mai 2020 liest man das in den sozialen Medien so: Dee Cameron sagt: Rassistische Cops sind meine Leute.
Gary Shteyngart, „Landpartie“, Roman, aus dem Amerikanischen von Nikolaus Stingl, Penguin, 25,-
Gary Shteyngart beschreibt die Pulverisierung einer prä-pandemischen Spekulation auf mediale Wirkung. Ein bewährtes Reiz-Reaktionsschema gilt nicht mehr.
„(Dee) war ausgestoßen worden, auf die andere Seite des Cordon sanitaire, und nun auf der falschen Seite der Geschichte begraben.“
*
Dee verdankt den Empörungssturm nicht ihrer eigenen Reichweite, sondern dem Ruhm eines Liebhabers, der im Roman nur als der Schauspieler kursiert. Den Mann charakterisiert eine gewaltige Bugwelle. Ihm ist es gelungen, seine Gastgeber aus dem Haupthaus zu drängen, um sich darin mit Dee feudal einzunisten.
Shteyngarts analytischer Ausgangspunkt ist eine Konzentration von Imponderabilien. In einer technisch unterversorgten Bungalowkolonie auf Hawaii kommen im Frühjahr 2020 Freunde und Bekannte des aus Sankt Petersburg gebürtigen Hausherrn Alexander Borisovich Levin-Senderovsky zusammen. Gerade wurde der pandemische Charakter eines Virus ruchbar, dessen epidemiologischer Steckbrief noch in der Pipeline steckt. Die Welt diskutiert über Abschottung und andere Sicherheitsvorkehrungen. Sashas Ehefrau Masha, eine Psychiaterin, besteht zunächst auf die Einhaltung von Abstandsregeln und weiterer Hygienevorschriften, die von ihren anspruchsvollen Gästen als Eingriffe in ihre Freiheitsrechte bekämpft werden. Masha versagt bei der Einhaltung ihrer eigenen Regeln, zumal im Verhältnis zu dem Schauspieler, dass dessen Verhältnis zu Dee bis zu einer gemeinsamen Schnittmenge vorangeht.
Der Autor nennt Masha eine „Handlangerin“ männlichen Begehrens. Es fällt das Wort vom „betreuten Duschen“. Bei einer Psychiaterin denkt man unwillkürlich, sie weiß, was sie tut. Selbstbestimmung ist ihr zweiter Name.
Um beim Thema zu bleiben. Die Sommergäste und ihre Wirte verständigen sich mit Zeichen eines sich selbst verstärkenden Bedeutungssystems. Während der Schauspieler vor Liebe lodert, bleibt Dee verhalten. Dee legt Wert auf tägliche Spaziergänge mit Edward ‚Ed‘ Sungjoon Kim, einem reich geborenen Koreaner mit drei Staatsangehörigkeiten und jeder Menge snobistischer Anwandlungen. Die Routine suggeriert (eine in der Hauptbeziehung unerreichte) Vertraulichkeit. Die Vertraulichkeit oder ihre Suggestion deklassiert den sich Verzehrenden. Als lediglich eingeschränkt Zugelassener verliert er seine Omnipotenz. Dees halbherzige Leidenschaft stößt einen an frenetischen Zuspruch Gewöhnten auf eine besonders peinliche Weise vom Thron.
Die Lauerjagd als fürsorgliche Belagerung
„Die größte Leistung besteht darin, den Widerstand des Feindes, ohne einen Kampf zu brechen.“ Sunzi
Kim beherrscht die Kunst, auf eine angenehme Weise überheblich zu sein. Daran gewöhnt, zu kriegen, was er möchte, bleibt er bei Dee am Ball. Der versierte Verehrer macht nicht zu viel Druck. Er misst der Verwirrten täglich den Puls und die Temperatur.
Behutsam belauert Kim das Premiumpaar. Er hört die Zwischentöne im Liebes-Trallala ab. Er bekocht die ganze Gesellschaft. Seine Manöver entsprechen seinem dynastischen Background. Dann kratzt der Schauspieler die Kurve, und Kims Noblesse bleibt als interessante Leiche* auf der Strecke.
*Cet intéressant cadavre
“Jim stuck to it that there was nothing to be seen after the first shower had ... (marins de l'État) and that interesting corpse (cet intéressant cadavre).” Joseph Conrad, “Lord Jim”
Als Kim Morgenluft wittert, gefällt sich der Globale Norden längst in der Rolle eines Primus der Abstandsregeln. Rasend überteuerte Pfennigprodukte werden mit den größten Käschern an Land gezogen. Während man in New York heruntergekühlte Lastwagen-Hänger als Leichenlager nutzt, befinden sich die Gäste in Sashas post-sowjetischem Datschenensemble schon wieder in einem privilegierten Corona-Trott, der bei Kim allenfalls noch einen spielerischen Widerstand aufkommen lässt. Dem Hygiene-Katechismus gewinnt er sogar einen stimulierenden Aspekt ab. Für den Connaisseur besitzen die blauen Gazemasken Fetischqualitäten.
Dee spielt begeistert mit. Sie bestürmt Ed. Sie braucht seine Leidenschaft zum Beweis der Gültigkeit ihrer Entscheidungen.
In seinem Garten gibt er der Natur Raum. Organisatorische Defizite und weitere menschliche Trägheitsmomente begünstigen pazifischen Wildwuchs. Der Hausherr süßt das Manko mit dem Zucker klimagerechter Floskeln. Das hält Alexander Borisovich Levin-Senderovsky, kurz Sasha, nicht davon ab, wie ein Henker Auto zu fahren. Er ruiniert ein robust-schwedisches Modell. Der Erzähler befleißigt sich, nicht Volvo zu sagen. Senderovsky gefährdet den Straßenverkehr mit der Ignoranz eines Spätberufenen. Dem Mittvierziger fehlt die (Airbag-Funktionen erfüllende) Empirie jener, die sich in Senderovskys Alter sardonisch an jugendliche Fahrfehler wahlweise -abenteuer erinnern.
Senderovsky heizt zu den Metzgern seines Vertrauens. Das Paar blickt mit fünfundzwanzig auf eine gemeinsame Katalogmodell-Vergangenheit zurück.
Senderovsky versorgt sich bei dem extravagante Countryside-Couple mit exquisitem Grillgut. Er hechtet weiter zum Wein- und Spirituosen-Dealer, der sich in einer entweihten Kirche ausbreitet. Die Kombination aus geistigen Getränken und sakralem Überbau wäre als urbaner Hotspot eine überlaufene Angelegenheit. In Sashas gediegenem Landkreis funktioniert die Tankstelle im Gotteshaus wie der angeödete Querverweis einer Bürgerin von Gizeh auf die pharaonischen Grabstätten next door.
„Corona ist wie Masern auf Steroiden.“ Doktor Itai Pessach in einem FAZ-Interview Quelle
Der ramponierte Schrat an der Kasse trägt Maske und erklärt ungefragt, dass ihm die Schließung drohe, da er nicht „systemrelevant“ sei. In der Romangegenwart - März/2020 - rätselt die Welt. Die Koryphäen des Seuchenmanagements laufen sich erst noch warm. Shut- und Lockdown-Szenarien sind in der Erprobungsphase. Siehe Wuhan.
Viele Leute halten Corona für etwas, dass nur die anderen kriegen. Westliche Expert:innen stufen das Corona-Risiko in ihren Ländern als „mäßig“ ein. Gemeinsam mit dem Rest der freien Welt kritisieren sie die Chinesen. Aus China erreichen uns Bilder gespenstisch leerer Straßen. Wir wissen, da ist alles gefiltert und von der Partei geklärt, vor allem jedoch auf Asien beschränkt; während die ersten europäischen, amerikanischen und australischen Freibeuter:innen in Krankenhäusern Masken und Desinfektionsmittel einsacken.
Der Seuchen Schönheit gipfelt in Motiven von Boccaccio und Botticelli
Paolo Giordano rät uns, „der Pandemie einen Sinn zu geben“. Der Neurobiologe Martin Korte empfiehlt die Etablierung neuer Routinen. Jan Philipp Reemtsma bemerkt die Dysfunktionalität alter Routinen. Geert Mak sieht uns getroffen. Wer sind wir? Sind wir die Bullshiter:innen auf der nordeuropäischen Empore - In ihrer Irrelevanz Begünstigte des Schicksals Geografie? Milo Rau sieht Chancen: Ein Paradigmenwechsel könne dazu führen, dass alte Gespenster ihre Spielberechtigung verlieren.
„Vielleicht müssen wir (nach der Pandemie) gar nicht zurück in die Räume aus dem 19. Jahrhundert.“ (Milo Rau)
Social Distancing bringt familiäre Nähe. Zeit für die Kinder und zum Nachdenken entdeckt Bas Kast in seiner persönlichen Krisenschatztruhe. Corona verhilft zu einer Idee von kanadischer Eigentlichkeit. Man tritt vor das Blockhaus und ein Momentum der Seligkeit entfaltet sich.
Was könnte noch absurder sein als Stress in der Irrelevanz?
„Grenzschließungen vermitteln den Eindruck von Entschlossenheit, aber in Wirklichkeit bewirken sie gar nichts.“
Das behauptet Anne Applebaum in ihrem Beitrag Die Regierenden wittern ihre Chance. Die Historikerin warnt mit Geschichte. Regierungen nutzen Pandemien von jeher, so Applebaum, um Freiheitsrechte zu verkleinern und machtherrlich zu expandieren.
„Wenn Menschen Angst haben, beugen sie sich.“ Anne Applebaum
Karl Heinz Götze bemerkt im freien Galopp komplementärer Kongenialität in seinem im Merkur erschienenen Aufsatz Der absolute Geist, die Cholera und die Himmelfahrt des Philosophen. Hegels Tod und Bestattung (1831): „Preußen machte (nach dem Choleraausbruch im angezeigten Jahr), was man am besten konnte. Man führte Krieg gegen die Krankheit, zunächst mit den schärfsten Maßnahmen. So schloss man anfangs Posen mit einem dreifachen Militärkordon ein in der vergeblichen Hoffnung, so das weitere Vorrücken der Krankheit nach Westen aufhalten zu können. Die Cholera lachte darüber und holte am 23. August 1831 keinen Geringeren als Gneisenau, den Oberbefehlshaber des Preußischen Heeres, im November des gleichen Jahres Clausewitz, den berühmten Strategen.“
Mentales Gaspedal
Zurück zu Senderovsky. „Den Kofferraum mit Flaschen und Fleisch gefüllt“, jagt er weiter auf der Schwefelspur des umweltsäuischen Teufels. Sinnlos verbrennt er fossile Energie. Er gerät sogar in einen Stau, so weit weg von den Engpässen der Ballungsräume auf Big Island, der jüngsten und größten Insel des hawaiianischen Archipels.
Obwohl Flugzeuge am Boden bleiben und Fabriken heruntergefahren sind, wird der weltweite CO2-Verbrauch im Jahr 2020 nur im einstelligen Bereich sinken. In den globalen Risikoanalysen gibt es nur ein Risiko, das größer ist als eine weltweite Pandemie. Dem Klimawandel zum Trotz, suchen alte weiße Männer ihr finanzielles Heil im Schadstoffausstoß, solange „fossile Brennstoffe die lukrativste Substanz der Welt“ (Bill McKibben) sind.
Anders gesagt, bereits Gary Shteyngarts superber Establishment Shot zeigt Glanz und Elend der männlichen weißen Mittelschicht in der Spielart der stadtfernen Frohnatur, die ihre Hausjacke zu kurzen Hosen im öffentlichen Raum trägt. Ihr Einkaufsradius beträgt hundert Kilometer. Die Strecke bewältigt sie in einer unnötig schweren Limousine, ohne einmal den Fuß vom mentalen Gastpedal zu nehmen.
Senderovsky und seine Gattin Masha führen ein ambitioniertes Landleben mit gewerblichem Gefrierschrank, der Vormieter war ein Spitzenkoch, vor einem russischen Herkunftshintergrund. Sie verkörpern die Intelligenzija-Migration von einer russischen Metropole (in diesem Fall Leningrad: so steht es geschrieben) in eine amerikanische Metropole. Die aktuelle Kleinstadtvorortidyllee entspricht einem biografischen Randgeschehen. In einer verzerrten Wahrnehmung könnte sich das Ganze klassisch mit einer Lehrtätigkeit am Provinzcollege verbinden. Tut es aber nicht. Senderovsky doziert(e) in der City von New York.
Shteyngarts Held zählt nicht zu den Verweigerern der (von seiner Ehefrau Masha gewissenhaft verschärften) Pandemie-Regeln, während sein alter, aus Seoul gebürtige Freund Edward Sungjoon Kim, der den Gastgeber am nächsten Bahnhof erwartet, nichts von Social Distancing wissen will.
Corona-Inquisition
Shteyngart nennt Edward Sungjoon Kim Ed, deshalb nenne ich ab jetzt Senderovsky Sasha.
Der Jaebeol-dynastische Ed, ein Mann mit drei Staatsbürgerschaften und transkontinentalem Air, setzt sich über Mashas Rauchverbot und ihre drakonischen Abstandsbestimmungen ungerührt hinweg. Sasha vergeht vor Sehnsucht nach einer Zigarette. Eds offensiver Hedonismus degradiert ihn.
Shteyngart serviert raffiniert lauter bourgeoise Finessen. Der gehobenen Klassenzugehörigkeit schuldet Shteyngarts Personal extravagante Midlife-Crises. Mit Discountphantomschmerzen gibt man sich so wenig ab wie mit im Preis herabgesetzten Weinen.
Man schöpft aus dem Vollen. Trotzdem bleibt das Ende von allem stets nah. Ed muss sich bereits auf einem Vorplatz der häuslichen Verhältnisse seiner Gastgeberin einem Verhör unterziehen. Masha testet das funkelnagelneue Procedere ihrer persönlichen Corona-Inquisition. Sie nutzt die freie Hand, die ihr die Lage lässt.
Vor Ort wähnt sich Ed in einer Edel-Quarantäne. Weitere Gäste stellen sich ein.
Shteyngarts Protagonist:innen scharen sich im März 2020 um den einfallsreichen Asthmatiker Alexander Borisovich Levin-Senderovsky. Gerade wurde der pandemische Charakter eines Virus ruchbar, dessen epidemiologischer Steckbrief noch in der Pipeline steckt. Die Welt diskutiert über Abschottung und andere Sicherheitsvorkehrungen. In diesem Klima pfeifen Sashas Gäste (gegen den rasch erlahmenden und schließlich vollkommen eingestellten Widerstand der Gastgeberin Masha) nicht nur auf alle Abstandregeln. Vielmehr zieht ein Mann, der aus dem letzten Loch pfeift, weil er nur noch einen Lungenflügel hat, an einem Joint, der von Mund zu Mund geht.
Im Handstreich stürzen die Akteure Mashas postsowjetisch-rigides Coronaregime.
Sashas „natürlicher Zustand“ ist es, angetrunken zu irrlichtern. Shteyngart schildert einen grotesk unzulänglichen Autofahrer.
Betreutes Duschen
Spricht der aus Sankt Petersburg gebürtige, in Putins Nachbarschaft aufgewachsene Ex-Dozent von der City, meint er New York. Jetzt versucht er, schlagartig viel Geld mit einem Drehbuchdeal zu machen. Der Idee entgegen steht die Ablehnung eines Schauspielers mit osmanischem Sexappeal, der anscheinend namenlos durch den Roman geistert. Jemand nennt ihn Amberson. Er erscheint glanzvoll überlegen und ominös. Masha, eine mitunter „panische Psychiaterin“, stachelt er zu einer dienstleistenden, buchstäblich handreichenden Sex-Praxis („betreutes Duschen“) auf, während die aufstrebende Autorin Dee Cameron, „eine Tochter … des reizlos-hartgesottenen“ US-Südens, den Glamourösen in (ihm bis eben unbekannte) Nöte bringt.
Schuld an der Klemme ist Karen Cho. Die Amerikanerin mit koreanischen Eltern gelang als Software-Entwicklerin erst spät der Durchbruch mit der Tröö-Emotions-App, die ein beliebiges Verlieben hervorruft.
Karen zählt zu den ältesten Freundinnen des Gastgebers. Natasha/Nat, die achtjährige, von einer Koreanerin zur Welt gebrachte Adoptivtochter der Levin-Senderovskys, fixiert sich auf die kinderlose US-Koreanerin.
*
Zunächst sind alle Gäste in Bruchbuden untergebracht, die hinter dem Haupt- und Herrenhaus buckeln. Dee logiert im ‚Writer’s Cottage‘. Sieben Schreibmaschinen illustrieren die Butzenzuschreibung in lächerlich klischeehafter, Sashas durchtriebene Seite auf den Punkt der Phantasielosigkeit bringende Weise. Hat Sasha die erfolgreiche Debütantin nur deshalb aus der City nach Hawaii in seine - im Geist der Mangelwirtschaft postsowjetisch dysfunktionale - sogenannte Bungalowkolonie gelockt, um mit ihr den Schauspieler zu ködern/um ihr den Schauspieler zum Fraß vorzuwerfen? Soll der - an der Leine einer beinah bizarr-plötzlichen, erst einmal unwirsch-unerwiderten Liebe laufende - Narzisst seine professionelle Reserve gegenüber Sashas TV-Erzählungen dem Begehren opfern?
Über eine weitere Infamie des Gastgebers reden wir später.
Dem Schauspieler in die Parade fährt Karens persönlicher Gegenspieler und gebürtiger Seouler Edward ‚Ed‘ Sungjoon Kim, ein gewandter, in jeder Hinsicht unabhängiger Weltmann, mit drei Staatsbürgerschaften, einer Abneigung gegen den sozialen Eintopf der koreanischen US-Migration, und einer sublimationsabholden Neigung für Southern Belles vom Schlag der freimütig-unabhängigen Dee.
Im Ensemble fehlt nur noch der seit Jahrzehnten Karen anbetende, aus Ahmedabad eingewanderte Vinod Mehta.
„Sogar sein Lachen hat einen Akzent.“
Vinod verkörpert den schwer beschädigten Verlierer unter Virtuosen. Von Sasha einst tückisch entmutigt und dauerhaft außer Kraft gesetzt, verfehlte er eine Laufbahn auf der Höhe seiner schriftstellerischen Begabung.
„Du hättest ein anderes Leben haben können.“
Das sagt Karen. Sasha zeigt sich zerknirscht und verspricht Vinod, ein vor dreißig Jahren schlecht geredetes Manuskript (mit dem Titel „Hotel Solitaire“) in einen effektiven verlegerischen Umlauf zu bringen.
Aus der Ankündigung
Ein Haus auf dem Land, acht Freunde, vier Romanzen – und sechs Monate in Isolation: Der gefeierte Autor Gary Shteyngart meldet sich zurück mit einem großen Amerika-Roman über unsere Zeit
Es ist März 2020, und eine uns wohlvertraute Katastrophe zieht am Horizont auf. In einem idyllischen Landhaus außerhalb von New York versammelt der russischstämmige Schriftsteller Sasha Senderovsky eine illustre Gruppe alter Freunde und loser Bekanntschaften, um die Pandemie bei gutem Essen und anregenden Gesprächen auszusitzen. Über die nächsten Monate wachsen neue Freund- und Liebschaften, während sich längst vergessen geglaubte Kränkungen mit frischer Kraft manifestieren. Doch mit der Ankunft eines mythenumwobenen Hollywoodstars gerät das mühsam konstruierte Gleichgewicht dieser Wahlfamilie gefährlich ins Wanken ...
Eine ungemein zeitgenössische Geschichte, erzählt mit der Haltung eines großen Romanciers: Shteyngart dokumentiert die singuläre Gefühls- und Erlebniswelt des Jahres 2020 und verpackt sie in einen süffig-intelligenten Roman, der Erinnerungen an Boccaccios »Dekameron« und die großen Klassiker der russischen Literatur durchscheinen lässt – versetzt ins Amerika der Gegenwart.
»Gary Shteyngarts Romane sind amerikanisches Kulturgut. Er hat schon immer mit Humor und Herz geschrieben, aber nie so sehr wie hier. Wenn Sie dieses Buch in der Öffentlichkeit lesen, seien Sie bloß vorsichtig: Es kann sein, dass sie laut loslachen müssen – oder dass Ihnen die Tränen kommen.« Jonathan Safran Foer
»Dieser Roman verkörpert all das Gute, Wahre und Schöne der Literatur.«
New York Times (27. Oktober 2021)
*
Der Autor liest am:
Mo. 20.6. | ZÜRICH (CH), Kaufleuten, 20 Uhr (Mod.: Mikael Krogerus, dt. Stimme: Wanda Wylowa)
Di. 21.6. | MÜNCHEN, Literaturhaus, 20 Uhr, Saal & Stream, (Mod.: Knut Cordsen, dt. Stimme: Benito Bause)
Mi. 22.6. | BERLIN, Pfefferberg Theater, 20 Uhr (Mod.: Joachim Scholl, dt. Stimme: Heikko Deutschmann)
Do. 23.6. | KÖLN, Kunstverein, Hahnenstr. 6, 19:30 Uhr, VA: Literaturhaus, (Mod.: Kristian Lutze, dt. Stimme: Stefko Hanushevsky)
Zum Autor
Gary Shteyngart wurde 1972 als Sohn jüdischer Eltern in Leningrad, dem heutigen St. Petersburg, geboren und kam im Alter von sieben Jahren in die USA. Er legte 2002 mit »Handbuch für den russischen Debütanten« seinen Erstling vor, ein New-York-Times-Bestseller, der u.a. mit dem National Jewish Book Award for Fiction geehrt wurde. Es folgten die vielfach ausgezeichneten Erfolgsromane »Absurdistan« und »Super Sad True Love Story« sowie zuletzt sein autobiografisches Buch »Kleiner Versager«. »Willkommen in Lake Success« ist der vierte Roman des New Yorker Kultautors, er wurde mehrfach zu einem der besten Bücher des Jahres 2018 gekürt und wird von HBO als Serie mit Jake Gyllenhaal in der Hauptrolle verfilmt.