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2022-05-31 18:26:50, Jamal Tuschick

Auf einer Tiberbrücke spielte ein Straßenmusiker “Shine On You Crazy Diamond” so inbrünstig, dass sich Clarke in seine Jugend zurückversetzt fühlte. Mit Anfang zwanzig war er zum ersten Mal in Rom gewesen. © Jamal Tuschick

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Romblicke

Er moussiert im milden Nachmittagslicht der zweiten Lebenshälfte. Ein Leben zwischen Kaffee und Süßigkeiten und einem leichten Ekel, der sich überall anhaftet und auf Reisen leicht überhandnimmt. Im Petersdom freut er sich über die vielen Desinfektionsstationen. Eine Reisegruppe verschlingt ihn. Auch wenn er die Führerin nicht versteht, folgt er ihr gern. Er fühlt sich an die Hand genommen. Unter dem Glück lauert ein kleiner Ärger. Dass sich keine Sau für sein online gebuchtes Eintrittsticket interessiert. Zu gern würde er den ausgedruckten Wisch jemandem zeigen. Clarkes vorausschauende Tüchtigkeit geht in der Gleichgültigkeit sämtlicher Autoritätspersonen unter.

Es gibt so viele Möglichkeiten, über den Tisch gezogen zu werden, ohne dass sich das irgendwo reklamieren ließe. Clarke schenkt der Engelsburg seine bereits erschöpfte Aufmerksamkeit. Die Schrittzählerangabe des Smartphones wirkt sich wie ein lobendes Häkchen aus. Kompetenz heißt oft nur noch, Bewältigung des Nötigsten und am besten niemandem im Weg stehen.

Von Google Maps lässt sich Clarke zu einer der ältesten römischen Bäckerei führen. Er betrachtet die Dinge jetzt von der Warte eines überschrittenen Höchststandes. Er vermutet Unregelmäßigkeiten im Gedächtnisbetrieb. Er hat nicht mehr alles parat. In zufälligen Überblendungen werden Bilder zu vergänglichen Kunstwerken. Natürlich entgeht Clarke nicht, wie sich die Gerüche ändern. Wasser und Seife reichen nicht mehr. Clarke trägt Deo und Parfüm in verräterischen Mengen auf.

Clarke war so lange die aufgeklärte Leichtfüßigkeit in Person. Ein sportlich-entspannter Typ. Kein Krampfarsch. Er schleppt sich nun zum Kolosseum. Seine Referenz ist die Bruce Lee- versus Chuck Norris-Begegnung in der Mutter aller Fightclub-Arenen.

Bruce Lee scena Colosseo-finale

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Jahrzehnte hätte sich Clarke jederzeit in einem Dutzend perfekt nachchoreografierter Bruce Lee-Posen präsentieren können. Er hatte sich das Foto in allen Einzelheiten ausgemalt, mit dem er seiner Bescheidenheit feiern wollte. Keine Fußtechnik mehr, kein Spagat, kein supermuskulöser Rumpf, bloß noch eine akkurat stilisierte Kombination. So ähnlich wie ich es an Clarkes Stelle demonstriere. Clarke findet es zu traurig, sich so zu zeigen.