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2023-06-05 13:58:26, Jamal

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Leben am Limit

Ob als Globetrotter oder Freifallspringer - Tom Baumann liebt Herausforderungen. Als Screaming Eagle der amerikanischen Streitkräfte, CIA-Agent, BND-Fluchthelfer, Rettungssanitäter und sexsüchtiger Liebhaber rauscht der Adrenalinjunkie aus gutem Münchner Haus über alle Grenzen.

© Heller Verlag

Die Differenz zum Tod

Wie leicht ist es, in unserem Rechtsstaat einen Bürger in die Psychiatrie zu verfrachten? Diese Frage beantworten sich die Münchner Rettungssanitär Peter Pfiff Pfeifer und Thomas Tom Baumann im Praxistest. Sie veranlassen einen Krawattenträger zum Krawall, übermannen, fixieren und sedieren den aller Wahrscheinlichkeit nach Unbescholtenen, ziehen einen Polizisten zur Bestätigung der Rechtmäßigkeit ihres Übergriffs heran und liefern jemanden auf einer geschlossenen Abteilung ab, der sich Doktor Uwe Bärlauch nennt. 

Max Claro, „Drei Monate im August“, Roman, Heller Verlag, 412 Seiten, 9.90 Euro

Mit Sondersignalen zum Pizzaholen

Woran erkennen Sie echtes Selbstvertrauen? Ich denke, Tom beweist es, indem er beim Sprung von einer Brücke nach den Vorgaben des Weg-Zeit-Gesetzes die Differenz zum Tod berechnet. 

*

Tom hat geerbt und gut investiert, zumal in eine München-Haidhausener Szenekneipe. Nötig hat er also gar nichts. Und schon gar nicht einen Job, der wie ein Ehrenamt entlohnt wird. Der leidenschaftliche Rettungssanitäter Tom fährt im Rausch der Eigenliebe „mit Sondersignalen zum Pizzaholen“. Seine Lieblingsgeliebte chauffiert er im Rettungswagen mit Blaulicht und Presslufthorn zum „Pink“-Konzert auf dem Olympiagelände. Er schiebt Anni, eine patente, vor Lebensfreude aus der Tracht platzende Krankenschwester, im Rollstuhl in die VIP-Lounge. Da wähnt sie sich im siebten Himmel und träumt von der Ehe mit einem Hallodri. 

Pink legte eine atemberaubende Show mit zirkusreifen akrobatischen Einlagen hin und brachte den Saal … zum Kochen.“

Nach der Veranstaltung möchte Anni wissen, was Tom in seinem Lust-Utensilien-Rucksack transportiert. Ich erwähne nur die Zahnbürste und eine Ingwerwurzel zur Behandlung erogener Zonen.

Wann haben Sie zuletzt einen Schmöker gelesen, in dem eine Breitling Avenger Skyland* dem Helden die Zeit anzeigt, und der Genuss ohne Reue im Plural seiner Erscheinungen dem Helden jeden Tag versüßt. 

*„Power in Action. Die Breitling Avenger ist eine Studie der Superlative: unvergleichlich sicher und verlässlich, extrem robust und stoßfest, maximal funktionell und unglaublich gut ablesbar. Bereit, wenn Sie es sind!“

Ja, nicht jede Existenz überschattet ein Tonnengewölbe des Elends. Tom eilt von Anni - „mit ihrem ebenmäßigen Engelsgesicht“ als perfekter Tarnung ihrer Agenda - „in seinem Sportwagen (einem knallgelben Porsche) so schnell er konnte“ via Cloudine (so heißt sein Fallschirm) zu Isabell.  

Tom ist süchtig nach Adrenalin, Endorphine und Dopamin.

Groundrush

Groundrush Adventure - Im rumänischen Arad nehmen Tom und Pfiff an einem Groundrush-Wettbewerb teil. 

2In skydiving, we use the phrase ground rush to succinctly describe the optical illusion that the ground is abruptly rushing up to meet you.” Quelle

Die Freunde steigen auf mit einer Antonov An2, „dem größten noch fliegenden Doppeldecker“. Der Pilot hält sich mit Wodka fit; das Flaschendepot ist ein Drahtgestell am Sitz. Für einen Aufpreis begeistert er seine Passagiere mit Loopings. Tom nähert sich der einzigen Frau in der spartanisch ausgestatteten Kabine. Tatjana, eine Russin mit einem Rekord von 3800 Formationssprüngen, geht auf ein hochriskantes Ansinnen ein.

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Heimlich springen sie von Hochhäusern - Tom und Pfiff sind exzessive Basejumper*.

„Base-Jumping, auch BASE oder B.A.S.E. Jumping geschrieben, Objektsprung oder Objektspringen, ist das Fallschirmspringen von festen Objekten. Der erste Wortteil gilt üblicherweise als Akronym für:  B: building, A: antenna, S: span, E: earth.“ Wikipedia  

Den ersten überlebten und belegten Objektsprung absolvierte der Münchner Hartmut Huber 1963. Huber sprang von einer achtundsechzig Meter hohen Autobahnbrücke (Mangfall) auf der Strecke München/Rosenheim. 

Zweifellos gibt es einen Suchtfaktor. Tom „reitet“ auf einer Rettungshubschrauberkufe (vom Piloten unbemerkt) durch den Himmel über München. Zum ersten Mal plagt den Außenborderliner die Angst. Doch kaum ist Tom auf dem Dach des Nordklinikums gelandet, zwingt ihn eine Begegnung mit Doktor Olga Jankovskaia, „vollschlank und sexy … mit ihrem naturgeilen Blick“ zurück in die Rolle des allzeit kollaborierenden Quickie-Kameraden. Frau Doktor hat nur zehn Minuten bis zum nächsten Auftritt in der Notaufnahme. Man beeilt sich im „geräumigen Behinderten-WC“.    

Olga, Julia … und immer wieder Anni. Mit der Krankenschwester experimentiert Tom in einem Ruderboot, bevor er ein dekadentes Wochenende mit Isabell einläutet. Ich halte mich mit Einzelheiten nicht auf. Irgendwann steht die Wohnung in Flammen und eine von Tom aus der Fassung gebrachte Geliebte sucht das Weite auf Nimmerwiedersehen.

Im nächsten Durchgang begegnet Tom einem prominenten Arzt im weißen Badekittel des Bordellbesuchers. So geht das immer weiter. Tom trennt kaum zwischen Arbeit und Leben. Immer in Aktion, ist der zwanghafter Sperma-Spreader fast immer im Dienst.

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Da ihn keiner überbieten kann, überbietet Tom sich eben selbst. Für ihn ist das Leben eine Serie von leicht zu meisternden Herausforderungen und so auch eine Abfolge von Wettkämpfen, die er ständig mit großen Vorsprüngen gewinnt. In Toms Gegenwart sollte man keine lange Leitung haben. Überschwang ist das eine, verbrecherische Gewissenlosigkeit etwas ganz anderes. Die Angelegenheit rund um den internierten Doktor Bärlauch liegt Tom schwer im Magen. 

Aus der Ankündigung

Tom, ein erfolgreicher Kneipier und der Anästhesie-Fachpfleger Pfiff teilen drei große Leidenschaften: Rettungsdienst, Fallschirmspringen und amouröse Abenteuer. Immer auf der Suche nach dem ultimativen Kick erleben sie turbulente Tage in München - bis irgendwann die Überholspur des Lebens zur Sackgasse wird.
Authentisch, packend und voll Humor - zwischen Fallschirmsprung, Lotterbett und Lebensrettung. Langeweile ist ein Fremdwort.