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2022-09-17 08:44:49, Jamal

Im Dschungel der Städte hat Karate seine große Zeit noch vor sich.   

Sehen Sie auch hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier.

In den 1980er Jahren © Jamal Tuschick

“He realised that his mission in life was to teach … the martial arts, to teach … ‘the flavour of combat - or simply of life’.” The Life Story of Karate Master Gōgen Yamaguchi by Graham Noble, Quelle

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“A man who has attained mastery of an art reveals it in his every action.” Yamaguchi Gōgen

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“Move quickly … Be light in body. Have a clever mind. Master the basics.” Yamaguchi Gōgen

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„Sport ist für mich wie Zähneputzen.“ Vitali Klitschko, Quelle

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„Turn passion into profession.“ Shifu Kanishka

Yamabushi Beat - The flavour of combat - or simply of life

Aus der Süddeutschen Zeitung von heute: „Einer der Palästinenser, die 1972 den Anschlag in München verübten, soll sich 13 Jahre später in West-Berlin aufgehalten haben. Die deutschen Sicherheitsbehörden wussten davon, doch die zuständige Polizei ignorierte den Hinweis.“ Quelle - Mehr dazu im folgenden Text.

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“He realised that his mission in life was to teach … the martial arts, to teach … ‘the flavour of combat - or simply of life’.” The Life Story of Karate Master Gōgen Yamaguchi by Graham Noble, Quelle

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“A man who has attained mastery of an art reveals it in his every action.” Yamaguchi Gōgen

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“Move quickly … Be light in body. Have a clever mind. Master the basics.” Yamaguchi Gōgen

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„Sport ist für mich wie Zähneputzen.“ Vitali Klitschko, Quelle

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„Turn passion into profession.“ Shifu Kanishka

Die Fertigpizza als Offenbarung

Wir wohnten die Siedlung trocken. Die Brachen zwischen den Häusern nahmen den zivilen Charakter von Rasenflächen an. Wäscheständer und kleine Spielplätze belebten das Bild. Man schützte das Gras vor den Kindern. Die Kinder spielten auf den Anliegerstraßen und umkreisten die Straßenkreuzer jener Amerikaner, die in der Siedlung eine Freundin hatten. Die Amerikaner ließen alles Deutsche klein erscheinen. Wir lebten ein Puppenhausleben im Schutz der transatlantischen Allianz. Mein pazifistischer Vater musste einen Bogen um die In-Treue-fest-zum Bündnis stehende SPD schlagen und einer SPD das Wort reden, die es gar nicht gab. Mein Vater lebte in der SPD seiner Vaterlosigkeit, des schuldlosen Unglücks seiner Kriegerwitwenmutter, der gewerkschaftlichen Kampfansagen, die um 1950 noch sozialistisch geklungen hatten. Er lebte in einer halluzinierten Nie-wieder-Krieg-SPD. Die Partei war sein Roman und ich sein Kinder-Ich, dem er einen Vater geben konnte. Er zog mich in die Politik, sie war das, was später die Kunst wurde, und in bürgerlichen Kreisen Bildung gewesen wäre: so etwas wie ein Instrument oder eine Fremdsprache. - Eine Ich-Erweiterung. Ein Pol des Wir und von jedem Wir das Erhebendste.

Mein Vater verstand die SPD-Genossenschaft als Bewahrerin der mit dem Blut der Väter errungenen Rechte. Deshalb musste zur Wahl gehen, wer wählen durfte. Musste in die Gewerkschaft/wer arbeitete/durfte kein potentieller Streikbrecher sein.

Der Schimpf „Arbeiterverräter“ ging meinem Vater leicht über die Lippen. Das war seine schlimmste Beleidigung. Politisch unreif waren die nicht Organisierten, die gegen ihre Interessen wählten auch als Nichtwähler:innen*. 

Endlich war die SPD an der Macht. Nun rannten die Kohorten der Außerparlamentarischen Opposition, nicht müde werdend, gegen die Bollwerke unseres SPD-Staates an. Die Radikalen wurden grün und verlängerten die Umzüge der Friedensbewegung. Diese Entwicklung zehrte die SPD aus. Als Kanzlerwahlverein brachte sie Schröder an die Spitze, wo er einen anderen Durchmarschierer traf. Fischer war der größte Albtraum der „Wo-haben-Sie-gedient“-Generation Schmidt/Strauß.  

Amtliche Solidarität

Ihren Anfang nahm die SPD-Katastrophe, als Benno Ohnesorg von dem Stasi-Mann Karl-Heinz Kurras erschossen wurde. Damals half die SPD der CDU dabei, Deutschland nicht nach links ausbrechen zu lassen. Der Willi-Brandt-SPD-Slogan „Mehr Demokratie wagen“ wurde von Brandt persönlich aus dem Verkehr gezogen. Der Extremistenbeschluss erging 1972 unter ihm. Das Staatsversagen beim Olympia Attentat von München vollzog sich unter seiner Aufsicht.  

Anfang der 1970er Jahre pflanzten Palästinenser:innen*, die in Jordanien nicht mehr willkommen waren, im Libanon einen PLO-Ableger und benannten ihn nach einer Niederlage. Der historische „Schwarze September“ stellte sich in ihrer Sicht als verlorene Auseinandersetzung zwischen der jordanischen Armee und palästinensischer Guerilla dar. Mit dem Terrorlabel „Schwarzer September“ verbindet man zuerst das Münchner Olympia-Attentat vom 5. September 1972. Palästinensische Terroristen brachten Mitglieder der israelischen Mannschaft in ihre Gewalt. Die Geiselnehmer wurden zu Mördern.

Gab es einen Deal mit ihnen? In Deutschland fürchtete man sich vor weiteren Terrorangriffen. Die Sicherheitsorgane erkannten darin ein Risiko, dass drei Olympia-Attentäter in einem Münchner Gefängnis einsaßen. Die Terroristen kamen dann merkwürdig reibungslos frei - im Zuge der Flugzeugentführung vom 29. Oktober 1972.

Deutsche Behörden schienen vorbereitet. Eilfertig agierten sie im Sinne der Kidnapper.  

„War die Lufthansa-Entführung ein abgekartetes Spiel?“

Das fragen Markus Rosch und Till Rüger vom Bayrischen Rundfunk

„Vieles spricht dafür und nichts dagegen.“  Quelle

Bereits 2012 fragte der SPIEGEL: „Pflegte die Bundesregierung … Geheimkontakte mit den Hintermännern des Anschlags?“ Quelle

Aus der Süddeutschen Zeitung von heute: „Einer der Palästinenser, die 1972 den Anschlag in München verübten, soll sich 13 Jahre später in West-Berlin aufgehalten haben. Die deutschen Sicherheitsbehörden wussten davon, doch die zuständige Polizei ignorierte den Hinweis.“ Quelle

Kein Zweifel, unter Brandt, dem Meister der Aussöhnung, litt die amtliche Solidarität mit Israel. Die sozialdemokratische Staatsräson bot einer zwingenden Verteidigung des israelischen Existenzrechtes keinen Sockel. Deutsche Angst stellte deutsche Schuld in den Schatten. Außenminister Walter Scheel verbreitete eine infame Sichtweise, ohne Widerspruch zu ernten. Man müsse sich „‚nach beiden Seiten des Konflikts‘ wehren“ (Wikipedia).  

„Bereits unmittelbar nach der Entführung … gab es Mutmaßungen, dass die Entführung von der westdeutschen Regierung inszeniert oder zumindest toleriert worden sei.“ Wikipedia

Chaim Josef Zadok (warf) der Bundesrepublik Deutschland vor, ‚eine Möglichkeit zur Verbesserung ihrer Beziehungen zur arabischen Welt‘ genutzt zu haben.“ Wikipedia

Seiyunchin

Hüten wir uns vor den „regressiven Utopien“ (Gershom Scholem) der verklärenden Heimaterzählung. Isolieren wir das westdeutsche Klassenbewusstsein von 1972. Bayern München verkörpert das Establishment und den Hochmut der Macht. Ein Gespenst geht um. Es heißt Baader-Meinhof. Der Familienfuturismus erschöpft sich darin, beim Grillen auf der Terrasse fernzusehen (der Fernseher im Freien als halben Mondflug). 

Ich komme alle Tage erst am (bis in alle Ewigkeit) geschlossenen Backhaus und dann am Milchhäuschen vorbei. Da befüllt ein Bauer im Morgengrauen große Kannen. Auf einem Schleichweg zwischen Häusern stehle ich mich zum Michelbach, überquere ihn an einer Stelle, wo ein Schritt reicht, und erklimme den (vom Dorf aus) ersten Brombeerkamm.

Kalter Kult

Im Unterholz wartet Karsten Bieber auf mich. Seinem Familiennamen entkommt er nicht. Heimlich (mit der denkbar geringsten Autorität und einer leisen Angst, etwas Verbotenes zu tun) teile ich mit ihm mein dürftiges Karatewissen. Ich lehre nicht. Ich lerne, wenn ich Bieber etwas zeige, den ich im Unterricht zwar aufgeschnappt, aber keinesfalls verstanden habe. In den weiten Maschen meines Begreifens bleibt nicht viel hängen.

Vor Bieber wiederhole ich durchgreifend-unverstandene Abläufe; dabei meine Meisterin Maeve von Pechstein schlecht nachahmend.

Bieber kann sich kein beitragspflichtiges Training leisten. Seit zwei Jahren gebe ich Halbwissen an ihn ab. Es war seine Idee, sich auf eine einzige Form zu konzentrieren. Erst mit dem Abstand von Jahrzehnten erkenne ich die im Willen zur Beschränkung offenbarte Begabung.

Im Jetzt unserer Jugend richtet sich von mir aus nichts Bestimmtes auf Bieber. Er erschließt sich mir nicht. Glutvoll exerzieren wir Seiyunchin, eine vom Shiko dachi dominierte, ihrem chinesischen Open-hands-Ursprung kaum entfremdete Kata ohne Fußtechniken.

Ich wähne mich in einem Wettbewerb der Deutung von Techniken und Drehungen. Unserem gemeinsamen Bunkai fehlt die historische Basis. Noch halte ich Gedan barai für reine Abwehr. Ich weiß nichts von Gleichzeitigkeit. Die Rituale und Prozeduren des regulären Trainings in der Karateschule Pechstein saugen mich in einen Zustand kurz vor geistiger Umnachtung. Ich folge den Kommandos der Meisterin wie in Trance.

In Biebers struppiger Gegenwart erkenne ich zahllose Lücken in meinem Ablaufverständnis. Wir improvisieren und überbrücken einvernehmlich. Wir spielen mit Möglichkeiten.

Ich changiere zwischen japanischen und deutschen Ritterburgphantasien. Mir schwebt eine Art Karate-Atlantis vor. Was ich für den wahren Mythos hielt, in Wahrheit mir aber nur ausgedacht habe, aber so, dass ich mich mühelos selbst an der Nase herumführen kann, raubt den Exerzitien im Waldauer Gestrüpp jede Anschlussfähigkeit. Ich stelle mir die Kata-Sektionen als antike Kassiber einer Kobudō-Praxis (ohne Beispiel in der Gegenwart) vor. Ich male mir die Bauernwaffen im Manga-Stil aus. Ich will mir nicht ausmalen, wie gut Bieber wäre, würde er an meiner Stelle in der Karateschule trainieren.    

Aus Biebers Aufzeichnungen

Ich wusste, dass Keno mit märchenhaften Karatebegriffe operierte. Dass er unter dem Schirm eines Kults Zuflucht suchte. Ich teilte seinen Wunsch, sich mit Karate einen eigenen Raum (eine klandestine Topografie) zu schaffen.

Wir waren zwei einfältige Yamabushi (Buschkrieger). Ich strebte zum Gong-fu-Ursprung der Seiyunchin, die auf Chinesisch Sui Yun Jing heißt. In Kassel kursierte noch nicht lange ein Wort mit gewaltiger Aura: Wing Chun. Angeblich war das die Kunst jenes Überirdischen, der mir näherstand als alle meine Angehörigen. Bruce Lee wusste:

“The highest level of fighting is to freeze your opponent.”