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2022-09-22 08:09:18, Jamal

Im Dschungel der Städte hat Karate seine große Zeit noch vor sich.   

Sehen Sie auch hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier.

In den Achtzigerjahren vor dem Göttinger Institut für Leibeserziehung. Fotografiert von Mara Neusel. © Jamal Tuschick

“To contemplate a thing implies maintaining oneself outside it, resolved to keep a distance between it and ourselves.” Bruce Lee

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„Jede Existenz ist eine chaotische periodische Funktion.“ Michel Serres

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Für eine „Kernschicht“ der Dialektik hält Adorno Hegels Aversion „gegen das isolierte, abstrakte Räsonnement, das Recht behalten will gegen irgendwelche Tatsachen*“.

*„Die Macht dessen, was ist, ist dem reifen Hegel zufolge, aber auch eigentlich schon dem Hegel der Phänomenologie, die darin auf der Grenzscheide steht, größer als das Besserwissen der Vernunft des je Einzelnen.“

護身術の精神的な土台となるもの - Die geistigen Grundlagen der Selbstverteidigung

Ende der 1970er Jahre bot Sensei Maeve von Pechstein den ersten Theoriekurs an. Cole leitete das Repetitorium. Ich schrieb mit. Guten Morgen, mein Name ist Keno Teichmann. Ich übernehme von Lien die Erzähler:innen*rolle. Zwei Personen erachte ich als die Paten meiner Persönlichkeit. Ich nenne zuerst Cole, zweifacher Vollkontaktkarateweltmeister, Trainer der erste Kasseler Karateweltmeisterin, Erfinder des Kasseler Karatefeminismus, heimlicher Co-Gründer des Ordens der ritterlichen Schwestern zu Kassel und Urheber des Wunders von Pechstein. Die Zeichen der Zeit erkennend, setzte er auf Frauenkarate als Frauenfußball soeben nicht mehr offiziell offen herabgesetzt wurde.

„Ein Jahr nach dem Wunder von Bern … verbot der Deutsche Fußball-Bund seinen Vereinen, Frauenabteilungen zu gründen … ‚Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden …‘“. Quelle

„Ab 1971 wurden (vom DFB) unterklassige Ligaspiele zugelassen.“ Quelle    

1978 gründete Cole den Frauenleistungskader der Karateschule Pechstein, die damals noch von seiner Tante Maeve geleitet wurde. Fünf Jahre später siegte Anima Firebird auf der ganzen Linie. Kassel, Karate und Feminismus bildeten die Dreifaltigkeit einer neuen Litanei.

Hartnäckig verfolgt von Irren*, die sich als Linksextremist:innen* interpretierten, ergab sich das Interesse an Selbstverteidigung aus einer schlichten Notwendigkeit nicht allein für mich, sondern auch für meinen Vater, der zwanzig Jahre lang Waldauer SPD-Ortsvereinsvorsitzender und insofern die Lieblingszielscheibe kommunistischer Sektierer:innen* war. Ich saß mit ihm in einem Boot. Doch ruderte nur ich ausdauernd genug durch die Untiefen des Nichtbegreifens, um endlich Land zu sehen, als Maeves einziger männlicher Meisterschüler, sieht frau/man von Cole ab, mit dem ich mich allerdings an keinem Punkt vergleichen kann.

Ich war ein Zaungast des Hypes um die Wilhelmshöher Karate-Bourgeoisie. In Coles Frauenleistungskader war die dünnste Schicht unter sich.

Die andere Leitfigur war Holger Kühne, eine mit dem Abstand eines halben Jahrhunderts kaum fassbare Gestalt. Heute würde Holger in Grund und Boden gehashtagt. Die Dutz-Maschine war nicht nur mein Kunst- und Sportlehrer, sondern auch mein Trainer und Pfadfinderführer. Jahrelang verging kein Tag, an dem ich Holger nicht begegnet wäre. Als ich alt genug für die Jusos war, amtierte er als Vorsitzender. Ich will Holger nicht mit dem ewigen FDJ-Vorsitzenden Honecker vergleichen. Vehement distanzierte er sich von seiner Alterskohorte.

Im Trubel versäumte es Holger, eine Familie zu gründen.

Seine Widersprüchlichkeit ging über alle Begriffe. Warb ein Bundeswehroffizier in unserer Schule für seinen Verein, äußerte sich der Reservist Holger kritisch. Bei nächtlichen Orientierungsläufen im Wald bekamen wir andere Sachen zu hören. Plötzlich mussten wir uns darauf gefasst machen, „vom Russen überrollt“ zu werden. Es ging um Operationen im „Rücken des Feindes“. Wir sollten das Feld aufrollen; die feindlichen Flanken schwächen. Ein fürchterlicher Firlefanz.

Cole, der sechs Jahre in asiatischen Kampfkunstknästen schockgefroren worden war, redete so ähnlich wie Holger, doch blieb sein Feindbild abstrakt. Tante Maeve redete zwar ganz anders. Sie widersprach ihrem Neffen aber nicht.   

Ich traf Holger schließlich auch auf allen Tanzflächen. Meine erste fünf Freundinnen erinnerten sich an Holger als Liebhaber. Der Mann schloss mich wie ein Festungsring ein. Gleichzeitig bespielte er sämtliche Auen von der Hochkultur bis zum kriminellen Untergrund.

Allmählich verkam Holger zu einer Transitstation im Defilee der Debütantinnen. Angemessenere Beziehungen, die einer Ehe vorausgingen, führten Frauen mit anderen Männern. Irgendwann bemerkte ich Holgers basstiefe Verstimmung. Die Geliebte des Augenblicks unterschied sich kaum von der letzten. Alle nutzten Holgers Etage als Bühne. Sie bewegten sich wie in dem George Michael & Models-Video Freedom! ’90.

Holger verlor alles an das Zuviel.

Er bewohnte eine Riesenfläche im Vorderen Westen. In meiner Erinnerung ankert das Haus wie ein Fitzcarraldo‘esk illuminierter Vergnügungsdampfer auf dem nächtlichen Amazonas. 

Wie Oma Hedwigs Porsche fahrender Bruder konnte Holger nicht vernünftig altern. Sogar die distinguierte Iris Leise machte ihre Erfahrungen mit dem jungsozialistischen Altgenossen und Kraftei.