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2022-10-11 07:54:51, Jamal

Im Dschungel der Städte hat Karate seine große Zeit noch vor sich.   

Sehen Sie auch hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier.

Frankfurt 2000 © Jamal Tuschick

“The first step into the internal world … is to transform the force from basic brute muscular force to the refined force.” Sifu Sergio Pascal Iadarola, Quelle

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“To resist without offering resistance.” Advanced commonplace

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“The more (your opponent) resists the more it works.” Sifu Sergio Pascal Iadarola

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Zurzeit beschäftigen wir uns mit der Kombination von Vorwärtsspannung, Bewegungsökonomie, Einheitlichkeit und Gelenkfreiheit mit Mühelosigkeit, Gleichzeitigkeit und Gegenwärtigkeit.

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Sobald ich begreife, wie jemand vorgeht, erkenne ich den Weg seines Scheiterns.

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Die meisten blockieren sich selbst. Man muss einfach nur sehen, wo.

Irgendwann in den 1990er Jahren © Jamal Tuschick

Ostsee 2022 © Jamal Tuschick

Spielender Staub

Mülltonnengestank zieht in den zweiten Stock. Goya steht im Bad am Fenster. Parterre ist der Kinderladen, in dem er war. Reste ausgewogener Ernährung gären in den Tonnen mit den chemischen Reaktionen von Convenience Food um die Wette. Auf dem Hof rauchen Erzieherinnen. Goya bleibt unbemerkt auf seinem Logenplatz, manchmal feiert die Hausgemeinschaft im Hof. Das Haus hat im Krieg einen Schlag gekriegt und steht seither so schandhaft schief da wie sein eigenes Mahnmal. Das nächste Haus Richtung Herkules wurde in eine Lücke gesetzt und hat als Nachkriegsneubau ein Stockwerk mehr als die Gründerzeitigen. Lachend rücken die Frauen auf einer Mauer zusammen. Keine kann sich strecken, ohne die andere an interessanten Stellen zu berühren. Eine Erzieherin ist neu. Sich vorbeugend, steckt sie ein Feuerzeug in eine Zigarettenpackung. Wahrscheinlich sind aus ihrem Leben schon viele kleine Sachen einfach verschwunden. Die Überlegung hält Goya davon ab, in seinem Vormittag fahrplanmäßig fortzufahren. Paula kommt mit einer Kanne auf den Hof, die Neue sagt: „Wenn mir etwas schwerfällt, denke ich mir ein anderes Ich dafür aus. Das muss dann da durch.“

Goya gefällt der Einfall so gut, dass er die Frau auf der Stelle heiraten möchte. Solche hirnrissigen Verknüpfungen sind auch neu.

Paula inspiziert ihre Beete. Die greise Frau Meise zieht Flusen aus einem Besen und kämpft am Fenster mit den Flusen, die bei ihr bleiben wollen. Klogeräusche im dritten Stock untermalen das Geschehen.

„Er erwartete noch etwas Besonderes, aber zum Schluss geht nichts Besonderes mehr.“

Die Feststellung verbirgt eine Frage. Die Kollegin nickt bloß, ist gerade nicht ihr Thema. Paula bemerkt Goya erst jetzt und winkt ihm wild zu. So als sei sie nicht arbeits- und beziehungslos seit viel zu langer Zeit. Ihre Bürokostüme trägt sie als Bedienung im Café Schwarzburg auf.

Die Erzieherinnen heben synchron die Köpfe, sie stehen ertappt auf. Goya grüßt erhaben. Paula kehrt ihm den Rücken zu. Man kennt sich schon so lange …

Auf dem Weg zu den Tonnen prallt Goya im Hoftürrahmen auf Sprotte. Sie trägt einen Blaumann und ein Malerschiffchen. Sprotte renoviert nach dem Auszug ihres vorläufig letzten städtischen Angestellten. Sie steht auf abgerundete Lebensläufer mit Ecken und Kanten. Mit Goya gab es gemeinsame Fernseh- und Spieleabende. Eine im Gespräch vertiefte Nacht.
Der Auszug des Angestellten war dramatisch, mit Trommelfeuer im Treppenhaus. Sämtliche Sprotte-Sympathisant:innen *rotteten sich gegen den Mann zusammen.

Sprotte streicht nach jeder Enttäuschung ihre Wände neu.

„Man müsste einmal wieder im Hof feiern, möchtest du nicht das Organisationskomitee ins Leben rufen?“

„Gern“, verkündet Goya.

Kinder platzen aus ihrem Laden, verfolgt von Ralf Schnabel und der Neuen. Jemand ruft sie, nun kennt Goya ihren Namen. Er kennt auch Tanjas Ziel. 

Goya fährt sein Rad in den Park. Auf dem Spielplatz dreht sich Tanja wie eine von Kindern gespielte Orgel. Müllmänner räumen verträumt eine Deponie der letzten Nacht weg. Halb auf den Spielplatz gekippten Dreck. Abseits bleibt ein Sofa stehen. Bald steht neben dem Sofa eine Kinderwache. Ein Pritschenwagen rollt auf den Platz. Die Männer, die das Sofa aufladen, haben keinen Blick für den Park.

Einbier-Otto steigt vom Klapprad. Er sieht nach Herzinfarkt in nächster Zukunft aus. Kiosk-Klaus vertreibt einen Strolch, der vor zwei Tagen auf einem Tisch einen hohen Bogen vorgeführt hat. Mit den Zwangsmaßnahmen wartete man, bis der Pinkler fertig war. Er ließ sich einfach vertreiben, offenbar mit dem Gefühl, sein Ziel erreicht zu haben.

Otto grüßt aufgeweicht.

Ralf scheint an Tanja nicht interessiert zu sein, das sieht ihm ähnlich. Die Kindergartenkinder sind wie Kreisel. Stillstand bringt sie zu Fall.
Ein Rumäne oder Bulgare, der lange mit Rosen unterwegs war, setzt sich zu Otto. Man nennt ihn K. Für Goya steht fest, dass das K von keinem Punkt begrenzt wird. Eine Stadtstreicherin lädt die Beutel ihrer Obdachlosigkeit zwischen Otto und K ab.

Die Leute bringen alles Mögliche mit zum Spielplatz, eine kratzt Butter von einem Dosenboden. In ihrem Rücken wirbeln Kinder spielend Staub auf. Der Staub überzieht sämtliche Flächen.

Goya beschließt, die Kontaktaufnahme zu Tanja erst einmal auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Er kehrt an seinen Schreibtisch und zu seiner Hausarbeit zurück.

Goya schreibt:

1685 machte Ludwig XIV. Schluss mit dem französischen Protestantismus. Er schuf die reformierte Kirche ab und kurbelte so die Wirtschaft in den Nachbarländern an. Landgraf Carl von Hessen-Kassel (1654 - 1730) gewährte den Hugenotten Siedlungsfreiheit. Die Flüchtlinge bauten sich unter ihm zu Kassel die Oberneustadt. Sie revanchierten sich, indem sie in der Residenz den Merkantilismus modellhaft auf die Spitze trieben.

1723 kam in London eine Königstochter zur Welt. Maria wurde als Gattin von Friedrich II. Landgräfin von Hessen-Kassel. Ihr Mann war der einzige Katholik auf dem kurhessischen Thron seit der Reformation. Er hätte die Hugenotten nicht ins Land gelassen, der Fortschritt wäre an Hessen vorbeigezogen.

Graf und Gräfin trennten sich. Von einer Scheidung sah man ab. Man schaffte Maria, übrigens eine Tochter der Caroline von Brandenburg-Ansbach, mit ihren Plagen nach Hanau, um sie in der Lieblichkeit der Mainsenke vor allen katholischen Übeln zu bewahren. In Hanau schlug die Stunde des 1743 zu Kassel geborenen Wilhelm IX. Mit siebzehn wurde er Graf von Hanau.

Der Siebenjährige Krieg (1756 - 1763) zog Schneisen wie eine Vollholzerntemaschine. Die Entwurzelten fanden zu den Gewissheiten und Orten ihrer Herkunft nicht mehr zurück. Landgraf Friedrich II. erkannte im Leiden seines Volkes einen Ursprung des wissenschaftlichen Fortschritts. Armut hielt er für ein medizinisches Problem.

Soldaten wurden zu Invaliden und Vagabunden. Witwen und Waisen lebten prekär. Groß war die Zahl unehelicher Kinder. Deren Versorgung war nicht geregelt. Jedes Jahr fanden Hinrichtungen von Kindsmörderinnen statt. Ein beruflich versprengter Angehöriger eines hugenottischen Baumeisterklans brachte den Missstand als erweiterten Schwangerschaftsabbruch in die Literatur. Mit seiner Denkschrift folgte er einer fürstlichen Aufforderung. Er beriet noch Friedrichs Sohn Wilhelm, der es zum Kurfürsten brachte, als das Heilige Römische Reich Deutscher Nation sich gerade in die letzte Kurve legte und es keinen Kaiser mehr von Kurfürsten zu wählen gab. Kurfürst Wilhelm I. verkaufte seine Leute an den englischen König. Gern wäre er selbst König (der Chatten) geworden, so wie er im Ganzen rückwärtsgewandt empfand. Stärker als das Schicksal solcher Landeskinder, die von der absolutistischen Wohlfahrt nicht zu mäßigen waren, interessierten Wilhelm Überlegungen zum (ganz bei der Krone liegenden) ius representationis omnimodae. Listig traktierte die Zukunft die fürstliche Alleinmacht mit aufklärenden Begriffen. Ein Zauberwort lautete Auswärtige Gewalt.

Ein paar Wochen später

Goya hatte auf einem Hochsitz über die Auswärtige Gewalt nachgedacht. Die Jagd ist zu Ende, der Jäger schneidet einen Laborbatzen Muskelfleisch aus. Sieben Jahre nach Tschernobyl überstrahlen Wildbret und Maronenröhrling noch ständig die zulässigen Werte. Kein Mensch verliert ein Wort deswegen, es herrscht die Omertà der Interessenverbände. Zwei Thunderbolts brechen einen Tiefflug ab und steigen steil auf. Low Level Abort. Man nennt den Flugzeugtyp Warthog, wegen seiner gedrungenen Gestalt.

Zuerst isolierte John Locke die Auswärtige Gewalt (zumal als Gewalt über Krieg und Frieden) von sämtlichen Staatstätigkeiten zu einer Zeit, da man jedwedes staatliches Geltungsstreben natürlich fand. Alfred Hänel (1833 - 1918), ein Mann der Deutschen Fortschrittspartei, griff das Thema auf. Er beleuchtete das Postulat der grundsatzlosen Zweckmäßigkeit (als einziger Konstante außenpolitischer Entscheidungen). Jeder Souverän achtete vertragliche Bindungen nur so lange, als er sie nicht genuinen Interessen zuwiderlaufend betrachten musste. Die brüchigen Beziehungen waren familiär. In den hohen Häusern Europas kam vieles wie aus einem Schoss.