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2022-10-16 06:55:32, Jamal

Im Dschungel der Städte hat Karate seine große Zeit noch vor sich.   

Sehen Sie auch hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier.

Frankfurt 2000 © Robert Schuler

“If one can do things under pressure then it is real skill.” Sifu Alan Orr

Gong-fu-Dialektik

These

“First (we) destroy the opponent’s ability to guard his centre.” Dr John Fung

Antithese

“My centre is everywhere - all over.“ Chu Shong Tin, zitiert nach Maksem Manler, Quelle

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„Wir haben auch im Ausland verhaftet.“ Der Ex-Offizier im besonderen Einsatz Norbert B. am Stammtisch der Kasseler Karateschwestern

*

Er unterschlägt sich selbst seine Verluste.“ Cole von Pechstein über seinen Freund Keno Teichmann

In den 1990er Jahren © Jamal Tuschick

Egokompakte Alleingänge

1990 fand eine Sehnsucht nach Exotik neue Ziele im Osten. Es gab noch die DDR mit Lothar de Maizière als Kohls Statthalter. Das westliche Interesse wurde schon als Heimsuchung empfunden. Die Bundesbürger:innen* versauten mit ihrer Währung die Ostpreise. Sie erschienen wie Landsknechte in Tanzlokalen, wo man Aufforderungen mit höflicher Ansprache verband und egokompakte Alleingänge unbekannt waren. Da war er plötzlich, der Malle erfahrene Manta Tiger mit seinen zwo Mille nach allen Abzügen. Daran gewöhnt, Rede und Antwort zu stehen, wo es um die Frage ging: Und was hast du so auf der Naht? Stand kein Aschenbecher parat, wurde die Kippe auf dem Boden flachgetreten. Dagegen erhobene Einwände war unzulässige Bevormundung von viel zu lange Bevormundeten. Man musste über achtzig sein, um sich als DDR-Bürger vor der CDU-Party am 18. März an eine freie und geheime Parlamentswahl erinnern zu können. Seit der Reichstagswahl vom 6. Nov. 1932 kannte der zum Zweck der Beitrittswilligkeit hart gefreite Ossi nur den Strich der Parteilinie.

Manta Tiger durfte nicht einfach die Kerzen auf dem Tisch anzünden. Die Anzünderin erschien zur festgesetzten Zeit und wehe, man griff ihr vor. Besondere Beilagenwünsche wurden als unangebrachte Extrawürste abgewürgt.
„Bei uns bestellt man die Gerichte so, wie sie auf der Karte stehen.“
Das schrieb die sozialistische Tischordnung vor, sie musste mit Humor genommen werden. Manche Usurpator:innen* zündeten sich Zigaretten mit Ostmarkscheinen an. Keno kaufte einen ZT 320 und stellte die Landmaschine fahrtüchtig in eine Remise an der Kasseler Straße. Das war zu der Zeit, als die Rolling Stones Überraschungskonzerte gaben. Die Gruppe hatte sich Sechsundachtzig aufgelöst. Ihre Wiedervereinigung überragte als Weltereignis die anstehende Aufhebung der deutschen Teilung. Kolumbianische Kartelle entdeckten die DDR als Rückzugsraum. Polizei stellte zentnerweise Verbotenes sicher. Pablo Escobars Devise plata o plomo – Silber oder Blei (entweder lässt du dich bestechen oder erschießen) wurde bald auch in Leipzig verstanden. Narco Nosotros quartierten sich in Ostseebädern ein. Da erschienen nun Patrone, die in ihren Badelatschen wie Pinguine watschelten und einen bürgermeisterlichen Habitus hatten. Sie ließen sich und ihre Familien von südafrikanischen Söldner:innen* bewachen. In aller Gemütlichkeit trachteten sie der kolumbianischen Justizministerin Mónica de Greiff nach dem Leben. Ausgesetzt war ein Kopfgeld von zwei Millionen Dollar. Die Lebensspanne der Politikerin lieferte einen Wettgegenstand. De Greiff übte ihr Amt vorübergehend in Washington aus, wo ihre Familie jahrelang als Verfolgte lebte.

Das Thema begegnete Keno in einem Kurort, wo er einen Einnistungsversuch der Republikaner beobachtete. Der bevorstehende Beitritt sorgte bei Berufsschlesier:innen* für Auftrieb. Nach revisionistischem Rechtsverständnis konnte über die polnischen Westgrenzen erst nach der Wiedervereinigung entschieden werden. Die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze war folglich vorläufig, Deutschland in den Grenzen von 1937 möglich. Der republikanische Manta Tiger kam aus einem fränkischen Spessartdorf und hatte von den Eltern ein Vertriebenenschicksal geerbt, das sich in Empfindungen erschöpfte. In einem Kursaal empfahl er einen ‚heiligen Egoismus‘ für Deutschland. Wolfgang Schäuble hatte ein paar Tage zuvor im Streit mit einem Spitzer der Ost-SPD die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze als ‚notwendiges Begleitübel‘ der Vereinigung beinah zähneknirschend festgestellt. Frau/man hatte ihn schon Mitteldeutschland zur DDR sagen hören. Manta Tiger sagte selbstverständlich Mitteldeutschland. Seine Zuhörer:innen* freute das. Keno wunderte sich über die vielen jungen Ex-Pioniere*. Da saßen keine Ewiggestrigen.
Der Bonner Vertrag von 1955 sei erpresst worden, erklärte Manta Tiger. Im Verhältnis zu dem ausstehenden Friedensvertrag dürfe man alle älteren Verabredungen als vorläufig und egal betrachten. Die Bundesrepublik hielt Manta Tiger für keine geringere Lüge als die Deutsche Demokratische Republik. Fünf Jahre später saugte die Karateschule Pechstein Norbert B. an. Er sah aus wie Wolfgang Petry und ging bald als Vokuhila durch. Die Gemeinheit der Ritterlichen Ordensschwestern zu Kassel, in der Weisheit ätzte, setzte ein Taqiyya* vor den Vokuhila.

Die Verheimlichung des wahren Glaubens in Gefahr - Taqiyya-Vokuhila verbarg gewiss viel vor den siegreichen Klassenfeind:innen*. Er hatte an der Humboldt Universität auf Diplom-Kriminalist studiert und war Chef einer Ostberliner Mordkommission gewesen, bis zu seiner Suspendierung im Januar Neunzig. Irgendwann kannten alle die Geschichte, in der Vokuhila seine rumänische M 74, ein misslungener Walther-Nachbau, abgeben musste, weil sein Vater, der haftverschonte Spitzenfunktionär, ihm zum Genuss Wandlitzer Gettoprivilegien verholfen hatte.

Keine Spur von Unrechtsbewusstsein. Vokuhila gab den ganz und gar Umgänglichen. Er hatte nur. Das war seine Story. Sie warb für ungebremsten Opportunismus. Sie schwappte auf einer Woge zudringlichen Menschelns in die Karateschule. Der Ex-Major trug einen Pornobalken über der Oberlippe. Das Bärtchen brachte sein unscharfes Wesen auf den Punkt. In Bielefeld gab es zwei Kinder und eine an Vokuhila nicht mehr interessierte Angela. Vokuhila diente mit Familienfotos. Höhepunkte der Kollektion waren Modellaufnahmen der Ehefrau, aparte Überinszenierungen. Sie stammten von einem Friseur, der sich auf häusliche Erotik spezialisiert hatte. Keno stellte ihn sich zuerst wie eine Stummfilmschattenfigur vor. Er wurde genauer und legte sich auf den Symphoniker des Grauens Nosferatu fest. Er fahndete nach Vokuhilas verlorenem Leben. Die Signale waren schwach. Ein Volkskammerausschuss hatte Vokuhila wegen Amtsmissbrauchs zerlegt. Es war spießig um die Finanzierung eines Fertighauses (Typ Stralsund) für 90.000 Ostmark, eines Mazda 322 GLX 1.5 (Neupreis 25.000 Ostmark) und eines Peugeot 305 (Neupreis 44.000 Ostmark) gegangen. Vokuhila und Angela hatten in Wandlitz gratis getankt, den Funktionärsservice (des VEB Spezialbau nicht zuletzt) genutzt und am korrupten Ohr von Bauminister Junker gekaut. Sie waren auf Staatskosten in die Ferien geflogen. Deshalb hatte Vokuhila den Anschluss an die neue Zeit verpasst, während seine Kollegen Hauptstadtpolizist:innen* geblieben waren. Er betonte, gegen keine Strafrechtsnorm verstoßen zu haben. Er erfand einen alten Satz neu: Was früher Recht war, kann heute nicht Unrecht sein. Vokuhila war als Privatdetektiv gescheitert. Nun half er Xuan Dunc auf Wochenmärkten. Xuan war als Schiffsbrüchiger vor Malaysia erst an Bord des Hospitalschiffs Helgoland und dann in das Grenzdurchgangslager Friedland gelangt. Weihnachten 1978 hatte er in Gesellschaft des niedersächsischen Ministerpräsidenten Albrecht auf einer Gala in Hannover verbracht.