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2023-03-27 09:53:40, Jamal

Schöne Episode

„Ich war entschlossen, mich ihm hinzugeben, aber ich wollte in seinem Leben nur eine schöne Episode sein.“ Wanda von Sacher-Masoch über ihr Verhältnis zu Leopold Sacher-Masoch in der Anbahnungsphase

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Sehen Sie auch hier und hier und hier

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„Für Furchtsame war es eine schreckliche Zeit.“ Wanda von Sacher-Masoch über die Cholera-Epidemie in Wien 1873

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„(Leopold) versicherte (mir), dass die Korrespondenz mit mir ihm alles ersetze, was er bisher an Zerstreuungen gehabt habe.“ Wanda von Sacher-Masoch

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Ich kann es nicht leugnen… es gibt für den Mann nichts, das ihn mehr reizen könnte, als das Bild einer schönen, wollüstigen und grausamen Despotin, welche ihre Günstlinge übermütig und rücksichtslos nach Laune wechselt.“ Leopold von Sacher-Masoch, „Venus im Pelz“

Am 26.03. 2023 im Restaurant Masel Topf © Jamal Tuschick

Feuilletonistische Festanstellung

Sie begehen ihre Hochzeit unter vier Augen, gültig nur vor Gott und den Richterinnen ihrer Herzen. Interessant bleibt, wie manipulativ beide aufeinander einwirken. Aurora präsentiert sich als zwar verheiratete, doch in Scheidung und deshalb wieder bei der gleichfalls geschiedenen Mutter lebende Frau. Sie selbst spricht von einem Märchen. „Das Märchen von meiner Ehe“. Sie weicht nicht ab vom Kurs falscher Angaben. Sie hält fest an der Legende, um L. nicht zu überfordern. Vielleicht könnte man hinzufügen: Um ihr Blatt nicht zu überreizen. Aurora glaubt nicht an die Haltbarkeit der Schwüre ihres Pseudogatten. L. wirft sich ihr zu Füßen, doch zugleich belehrt er sie in allen Fragen. Er zeigt sich demütig, schreibt Aurora aber vor, wie sie seine Demut entgegenzunehmen hat. Die Pelze, in denen sie sich zeigen muss, sind Requisiten; Gebrauchsgegenstände einer detailreich kanonisierten Praxis.

Aurora wirkt wie eine Schauspielerin in Leopolds Stücken mit. Ihre Dominanz ist so fadenscheinig wie ihre Alltagskleider. Während sich L. in seiner Prosa als solventer Edelmann spreizt, ist er in Wahrheit eher knapp bei Kasse; wenn auch - zunächst zumindest - gut betucht nach den Maßstäben der ins Elend gefallenen und mit Leopolds Hilfe ins bürgerliche Lager zurückgekehrten Aurora. Aus Dankbarkeit will sie L. die Möglichkeit „eines ehrenvollen Rückzugs“ bieten. 

„Ich war mit allem, was er sagte, einverstanden, denn ich glaubte nicht an diese Heirat ... ich wünschte sie nicht einmal. Er war zu oft verlobt gewesen … Ehrlich und gewissenhaft in seinem Geiste, traute er sich mehr zu als sein Temperament und seine Phantasie halten konnten. Ich war entschlossen, mich ihm hinzugeben, aber ich wollte in seinem Leben nur eine schöne Episode sein.“  

Im letzten Augenblick eines gesellschaftlichen Aufschwungs verändert sich das Paar nach Wien. Da liefert Aurora ein Beispiel für ihren bemerkenswerten Realismus. Sie kommt mit einer ehemaligen Verlobten von L. in Berührung.

„Im Stillen bat (ich sie), mich nicht zu beneiden um den flüchtigen Glanz, der so unerwartet auf mein dunkles Leben gefallen ... und wie ich mich schon vorbereitete, dass die Reihe, zu den Verlassenen zu gehören, nächstens an mich kommen werde.“

Aurora erscheint so viel abgeklärter als der im Grunde naive Lebemann L. Trotzdem soll es stets an ihm sein, ihr die Erscheinungen des Lebens darzulegen und sie zu informieren; ihr eine Welt klarzumachen, die sie doch so viel besser versteht als der von sich selbst geblendete Realitätsverweigerer.

Rasch muss Aurora erfahren, dass sie ihren überfallartigen Erfolg als Autorin lediglich einer gnädigen Stunde verdankte. „Es war eine außerordentlich günstige Zeit für literarische Produktion gewesen … 1872, das Jahr vor dem großen Krach, die Zeit, in der alle Welt riesig in Geld machte und neue Zeitungen wie Pilze aus der Erde schossen“.

1873 platzt die Blase. Die Wirtschaft fährt in den Keller. L. verliert die feuilletonistische Festanstellung, wegen der Aurora und er nach Wien gekommen sind. Eine Pleitewelle überschwemmt alle möglichen Erwerbsgelegenheiten. Aurora „lernt den Weg ins Wiener Leihhaus kennen“. 

„Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.“ Murphys Gesetz bewahrheitet sich auch für Aurora, die zum zweiten Mal in ihrem Leben von jetzt auf gleich verelendet. Sehen Sie hier und hier.

1873 ist das Jahr der Wiener Weltausstellung. Die Leistungsschau soll den Prestigeverlust verlorener Kriege (gegen Piemont/Frankreich 1859 und gegen Preußen 1866) ausgleichen. Sie gerät zum Fiasko nicht zuletzt wegen einer zu spät kommunizierten Cholera-Epidemie.

„Für Furchtsame war es eine schreckliche Zeit“, schreibt Aurora lakonisch. Ihr Ritter ist ein Hypochonder. Jeden Tag wacht er mit Symptomen auf.