Unerbittliche Mechanik
„Wir sind von Arbeitsmaterial umgeben. Es wartet an jeder Ecke auf uns, findet sich in Gesprächen, in der Natur, in zufälligen Begegnungen oder bereits existierenden Kunstwerken.“ Rick Rubin
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Sehen Sie auch hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier.
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„Der Künstler … ist in einen kosmischen Zeitplan eingebunden.“ RR
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„Als Schnitzler das Stück vor mehr als hundert Jahren schrieb, war es genau jene unerbittliche Mechanik des Beischlafs, die den „Reigen“ zu einem beispiellosen Skandal werden ließ.“ Jenny Hoch im SPIEGEL vom 08.03.2009, Quelle
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„Wenn Sorgen und Unannehmlichkeiten kommen, dann kommen sie gleich scharenweise und nisten sich förmlich ein.“ Wanda von Sacher-Masoch
In den frühen 1960er Jahren © Jamal Tuschick
Talentierte Melancholie
Aurora sucht stille Vergnügungen im Wald von Bad Frohnleiten. Da verbringen die Sacher-Masochs im August 1876 ihre Sommerferien. Die Kurstadt an der Mur ist ein Hotspot der feinen Habsburger Gesellschaft am Vorabend einer dramatischen Zeitenwende. Schnitzlers „Reigen“ in der Endlosschleife - Artefakte des Ancien Régime bröckeln zwischen den Emanationen der Belle Époque. Es herrscht aber auch Gründerzeitfuror und Fin de Siècle. In der Gleichzeitigkeit von Hausse und Baisse stehen die Sacher-Masochs mit bedeutenden Persönlichkeiten der Epoche auf vertrautem Fuß, während Aurora gleichzeitig fürchten muss, nicht genug zu essen für ihre Kinder auf den Tisch zu kriegen.
Kindischer Gatte
Schwer leidet sie unter ihrem „kindischen“ Gatten. L. missbraucht die redliche Kindlichkeit seiner Söhne, um aufs Expressivste infantil zu sein. Er jagt seine Schmetterlinge des Irrsinns auf einer philosophischen Grundlage. Die Ehe erachtet er als ein Experiment der Modernität. Folgt ihm seine Frau nicht in blindem Gehorsam, wirft er Aurora vor, ihre innere Freiheit an einen Nagel der Konventionalität gehängt zu haben.
„Wir machen täglich einen Spaziergang in der Natur und betrachten alles, was sich in unserem Blickfeld befindet, mit Dankbarkeit und Verbundenheit.“ Rick Rubin
Aurora sucht einen Freiraum in solistisch-taufrischen Waldspaziergängen. Eines Morgens kommt es in einem Licht- und Farn-Dom wie aus der Vorzeit zu einem Gipfeltreffen. Die talentierte Melancholie begegnet sich in der Gestalt der kaum bekleideten Aurora und eines von A. als „prächtig“ klassifizierten Dichters. Ich rede von Ferdinand von Saar. Ihm obliegt es, 1881 Melanie Lederer zu heiraten.
In ihren Aufzeichnungen äußert sich Aurora abfällig über „ein Faktotum, ein ältliches, für ihren Beruf ganz besonders begabtes Fräulein, welches beständig auf der Jagd nach distinguiertem Wild“ ist.
Leider spricht Aurora so über die kinderlos gebliebene Melanie Lederer (1840 - 1884). In der Gegenwart von 1876 inspiziert sie Kurgäste bei deren Ankunft am Bahnhof. Sie „beschnuppert“ die Anreisenden auf der Suche nach hoffähigem Publikum.
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„Drei Jahre später endete die Ehe tragisch mit Melanies Selbstmord“, schreit Dora Kvarantan in ihrer „Darstellung der Liebe in Ferdinand von Saars Novellen Innocens, Marianne, Ginevra und Requiem der Liebe“, Quelle
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Die Sacher-Masochs zählen zum Zirkel einer Prä-Belle Époque-, aka Fin de Siècle-Gesellschaft im Kurrausch. Frau Gomperz, unumstrittene Herrscherin der Steiermark-Sommerfrische, residiert (selbstverständlich temporär) im Schloss Weyer, einem barock aufgemotzten Trutzkasten aus dem 13. Jahrhundert.
Aurora ist einem Highlight-Mann der Stunde verheiratet. Man reißt sich um ihn sogar in Frankreich. „In der Opinion nationale erschien eben sein Roman Die Ideale, in der République francaise sein Testament.“
Die literarische Welt hebt L. auf eine Stufe mit Lord Byron und dem kürzlich verstorbenen Prosper Mérimée. Die größte Schauspielerin der Epoche, Sarah Bernhard, soll die Hauptrolle in einer Dramatisierung des Emissärs übernehmen.