Am Frankfurter Goetheturm in den 1990er Jahren. Stilecht mit dem Gerippten in Reichweite. Man sieht das Glas bloß nicht. © Jamal Tuschick
Polnischer Pascha
Aurora und ihre Freundin Anna-Catherine Strebinger genießen die pikante Gastfreundschaft des weitgereisten und hoch aufgestiegenen polnischen Grafen Ladislaus Koszielski, der nach Jahrzehnten im militärischen und diplomatischen Dienst eines Sultans als Sultan von eigenen Gnaden - mit einer sagenhaften Prachtentfaltung - in der Steiermark auf Schloss Bertholdstein residiert. Während Aurora in dem osmanisch kostümierten Grandseigneur einen veritablen Mistkerl erkennt, und sich (wenigstens im ersten Durchgang) vor der dämonisch dimensionierten Persönlichkeit in Acht nimmt, strebt die auf mächtige Mistkerle fliegende Anna maximale Machtnähe an.
Dämonisch dimensioniert
„(Anna) machte rasch Toilette und ich half ihr dabei. Sie zog ihren Sommernachtstraum an und war darin reizend schön.“
Zu ihrem Erstaunen finden sich Aurora und Anna nach einer Phase trauter Dreisamkeit in einer großen und noblen Gesellschaft wieder. Aurora bemerkt ungarische Hochadelige, „Prinzessin Z und einen eleganten Husarenrittmeister, der zwar Mayer hieß, was ihn jedoch nicht verhinderte ein schöner und feiner Mann zu sein“.
Unsere Chronistin garniert ihre Schilderungen des noblen Publikums mit ausgesuchten Gemeinheiten. Sie attestiert den Adeligsten in diesem Kreis einen Mangel an physischer Exzellenz und geistiger Gesundheit.
Aurora zieht so richtig fies über die Prinzessin her. Ich schäme mich für ihre Treffsicherheit. Sie verwendet das Wort „Sport-Woman“ in einer toxischen Hohnwolke.
„Wenn ich neue Gesichter sehe, beschäftigen sie mich, ich suche sie zu verstehen und darüber kann ich vieles vergessen.“
Aurora flirtet mit dem Rittmeister. Bald stellt sich heraus, dass er sich als Fan ihres Mannes an Aurora heranschmiert. Je krachledernder und geschniegelter der Herrenreiter, desto empfänglicher ist er für Leopolds Pelz- und Peitschenprosa. In den Arrangements der Fan-Phantasie firmiert Aurora als selbstermächtige Akteurin. In Wahrheit dient sie lediglich den obessiven Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung des Familienbetriebs. L. muss sich seiner Muse vor die Füße werfen und als Sklave andienen können, um als Schriftsteller und Ernährer zu funktionieren. Aurora unterwirft sich dem umständlichen Begehren ihres Gatten, wenn sie im Pelz die Herrin spielt.
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Aurora informiert ihre Leser:innen:
„(Mayer war) eben von Paris zurückgekommen, wo er die Ankündigung des Stückes meines Mannes gelesen; dann zeigte er mir die jüngste Photographie der Sarah Bernhardt, die dieselbe war, die sie meinem Manne in großem Format … hatte senden lassen.“
Der Schlossherr präsidiert als „Se. Excellenz“ (Originalschreibweise). Er widmet sich rasch wieder Aurora und Anna wie bei der Befolgung eines Exklusivvertrags. Die Drei fahren nach Gleichenberg. Sefer Pascha kutschiert eigenhändig. Anna sitzt beflissen mit auf dem Bock. Aurora isoliert sich angespannt in der Kalesche.
Die vorgespannten Isabellen sind Gegengeschenke der russischen Kaiserin Elisabeth I. „für den ihr gegebenen Nubier … vier so wertvolle und seltene Pferde für einen … - das war auch ein Pappenstiel“.
In Gleichenberg imitiert Anna Prinzessin Z. Sie verkörpert eine Sports-Woman, die sich nur für Hunde und Pferde interessiert.
Aurora sagt Sports-Woman, sie ist herrlich angefressen. Anna desavouiert sich gerade selbst. Ihre Gier lässt nichts übrig von der grandiosen Unabhängigkeitsattitüde, mit der Anna im Allgemeinen auftrumpft. Die Feindin aller Spießer- und Kriecher:innen offenbart die Niedrigkeit der eigenen Beweggründe.
In Gleichenberg gibt es einen Friedhof für die Pferde des Fürsten von Thurn und Taxis neben dem Jagdschloss Hubertus-Haus.
Aurora spricht von einem „stimmungsvollen Kirchhof“. Sie dichtet den Gesang der Nachtigallen zu den Friedhofsulmen.