„Das ist ja eben das Fatale, dass ich bei meiner Art Arbeit so sehr auf eine gute Stimmung angewiesen bin.“ Leopold von Sacher-Masoch 1881 in einem Brief an seinen Bruder
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Sehen Sie auch hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier.
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„Am Abend hatte ich zehn Verse gemacht und eine Flasche Schnaps getrunken; sie (George Sand) hatte einen Liter Milch getrunken und ein halbes Buch geschrieben.“ Alfred de Musset
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„Zu solchem Pelz und solchen Stiefeln gehörte ein Liebhaber. Es war unbegreiflich, dass ich keinen finden konnte! Ich war ja eine reizende Frau ... woran lag es? An den Männern natürlich. Man wagte sich nicht an mich heran, weil mein Gemahl den Ruf eines Kampfhahnes hatte … Wie sollte man den Männern begreiflich machen, daß sie nichts zu fürchten hätten?“ Wanda von Sacher-Masoch in ihren Memoiren
© Jamal Tuschick
Die Dialektik von Skandal und bourgeoiser Gleichschaltung
Das Ehepaar Sacher-Masoch sucht Abwechslung bei Verwandten in Budapest. Franz Liszt taucht auf.
„Ich (fand), dass seine liebenswürdige Einfachheit zu dekorativ war, zu großen Stil hatte für unser bescheidenes Zimmer und uns.“
Von Liszt ergibt sich eine Verbindung zu George Sand. In dieser Kontextualisierung gewinnt L. Statur und Legitimation.
Charles Baudelaire nannte George Sand eine „Spießerin der Unmoral“. Er unterstellte ihr die Urteilstiefe einer „Gardienne“. Darüber würde ich kein Wort verlieren, wäre es nicht Baudelaire gewesen, der, so erklärt es Hans Mayer, „die Dialektik von Skandal und bourgeoiser Gleichschaltung im Fall George Sand“ aufdeckte.
War Leopold von Sacher-Masoch ein Geistesbruder der George Sand?
In einer frühen Analyse der englischen Klassengesellschaft (Culture and Anarchy) bezeichnet Matthew Arnold die Herrschenden seiner Zeit als „Barbaren“. Arnold unterscheidet sie nach einem schlichten Schema. Es gibt „schwerfällige“ und „gelöste“ Barbaren. Die einen lieben hoheitliche -, die anderen sportliche Auszeichnungen.
Das bürgerliche Lager kommt bei Arnold nicht besser weg. In einem Klima bigotter Beschränktheit existieren Schriftsteller:innen wie George Sand, George Eliot und Leopold von Sacher-Masoch stets auf einer Schwelle zum Eklat. Bei George Eliot zeigt sich das auch an den vielen Namen. Ihren Durchmarsch zum Ruhm beginnt sie nach der dritten Umbenennung als Marian Evans. Marian Evans Lewes wagt eine freie Verbindung mit dem verheirateten Kollegen George Henry Lewes. Siehe „Die Physiologie des täglichen Lebens“. Die amtliche Gattin toleriert das Arrangement. Das Paar lebt vorübergehend in Weimar. Unter dem Pseudonym George Eliot verschafft sich Marian Evans literarischen Weltruf. Sie stirbt gediegen als Mary Ann Cross.
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Es gibt eine Stelle, ich habe sie überschlagen und finde sie nicht mehr, da liest eine Literaturliebhaberin L. die Leviten. Sie weist ihm Kleingeistigkeit nach und bezichtigt ihn des Etikettenschwindels. Seine Radikalität sei Pose. Eine Masche nur. Nicht mehr.
„Die Dialektik von Skandal und bourgeoiser Gleichschaltung“ (Baudelaire) gehört zum Spiel der bürgerlichen Gesellschaft in ihrer Gründerzeitverfassung. Ein Gefängnisaufenthalt dient der Imagepflege eines professionellen Regelbrechers. L. weigert sich aber, eine Arreststrafe von acht Tagen zu verbüßen. Der Delinquent schickt seine Frau zum Kaiser.
Aurora muss sich ein Audienzkleid leihen. Sie reist den weiten Weg von Budapest nach Wien. Da tastet sie sich durch ein Labyrinth der Referenzen und Empfehlungen. Ihr Schwiegervater kannte den (vermutlich doch ehemaligen) Chef des kaiserlichen Privatkabinett persönlich. Das hilft, ich verstehe nicht wie. Auch der diensttuende Graf, Major Mondel, zählt zum Bekanntenkreis der Sacher-Masochs. Die Gleichzeitigkeit von Hoftauglichkeit im Habsburger Riesenreich, Pfandhausmisere und exzentrischem Habitus bildet ein eigenes Genre.
Aurora flirtet und knickst wie in einem Atemzug. Sie kriegt ihren Kaiseraugenblick.
„In seiner leutseligen Art sagte mir der Kaiser, er würde am liebsten meinem Manne die ganze Strafe schenken, allein er könne doch nicht seine Richter so ganz desavouieren.“
Die Hochgestellten in Leopolds Dunstkreis raten einvernehmlich dazu, die Strafe annehmen. So ein „Märtyrertum stehe politischen und literarischen Männern sehr gut an“.
„Wenn wir einige Minuten den Bach hinauf über eine Brücke gingen, waren wir in Österreich; dort befand sich ein nettes Wirtshaus, in dem wir unsere Mahlzeiten nahmen.“